Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Rückzahlung von Weiterbildungskosten. Angemessenheit einer vollständigen Rückzahlung von Weiterbildungskosten. Teilnichtigkeit einer Vertragsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Die Parteien können im Rahmen einer Fort-/Weiterbildungsvereinbarung wirksam regeln, dass die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer zu erstatten sind, wenn dieser auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden die Anmeldung bis zum Beginn der Fortbildungsmaßnahme zurückzieht oder während der laufenden Maßnahme aus derselben ausscheidet und das Ausscheiden nicht aus berechtigten personenbedingten Gründen erfolgt.
2. Der Umstand, dass für solche Fälle eine unbedingte und vollständige Rückzahlungsverpflichtung vereinbart wird, dem Arbeitnehmer somit nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, seine Rückzahlungsverpflichtung durch eine nachfolgende Arbeitsleistung "abzuarbeiten", begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
3. Ob die abgebrochene Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer im Rahmen eines neu begründeten Arbeitsverhältnisses einen Vorteil bedeutet, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung nicht von Bedeutung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Die Vereinbarung muss darüber hinaus für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sein. Das ist der Fall, wenn der Text in mindestens drei Fällen zur Grundlage von Vertragsbedingungen gemacht wird.
2. § 306 Abs. 1 BGB bestimmt in Abweichung von § 139 BGB, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten bleibt. Die Teilbarkeit der Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln. Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiter verständlich, bleibt sie bestehen (sog. blue-pencil-test).
Normenkette
BGB §§ 305-307, 139
Verfahrensgang
ArbG Verden (Aller) (Entscheidung vom 21.12.2021; Aktenzeichen 2 Ca 290/21) |
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 13.07.2022 wird aufrechterhalten.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten und Berufungsklägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Beklagte war bei der Klägerin auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 23.05.2013 ab dem 12.03.2013 als Arbeitnehmerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 22.03.2019 (Anlage K4, Bl. 61 dA.) beantragte die Beklagte die Teilnahme am Angestelltenlehrgang I.
Am 13.07.2020 trafen die Parteien eine Rückzahlungsvereinbarung (Bl. 13 ff. dA.). Danach sollte die Beklagte in der Zeit vom 24.08.2020 bis zum 03.06.2022 an einer Fortbildungsmaßnahme zur Ersten Verwaltungsprüfung beim N. Studieninstitut für Kommunale Verwaltung e.V. teilnehmen, der Ort der Fortbildung sollte O. sein. In § 1 Abs. 2 regelten die Parteien die Erbringung freiwilliger Leistungen durch die Klägerin in Gestalt der Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Entgeltes in Höhe von gesamt 16.341,75 EUR, die Übernahme der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in Höhe von 2.782,00 EUR, Reisekostenvergütung in Höhe von ca. 12.578,00 EUR, die voraussichtlichen Gesamtkosten wurden mit ca. 31.701,75 EUR angegeben.
§ 5 Abs. 1 der Rückzahlungsvereinbarung lautet:
"§ 5
(1) Die/Der Beschäftigte hat die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers nach § 1 dieser Vereinbarung zu erstatten, wenn sie/er auf eigenen Wunsch oder aus ihrem/seinem Verschulden
a) die Anmeldung bis zum Beginn der Fortbildungsmaßnahme zurückzieht,
b) aus der Fortbildungsmaßnahme ausscheidet,
c) die Prüfung nicht ablegt oder im Falle des Nichtbestehens der Prüfung selbige trotz Aufforderung des Arbeitgebers nicht wiederholt,
d) aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung ausscheidet.
Eine Erstattungspflicht besteht nicht, wenn das Zurückziehen der Anmeldung vor Fortbildungsbeginn, das Ausscheiden aus der Fortbildungsmaßnahme, das Nichtablegen der Prüfung, bei Nichtbestehen die Verweigerung des Ablegens der Wiederholungsprüfung oder das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung aus Gründen erfolgt, die dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind bzw. die der Arbeitgeber zumindest mitveranlasst hat.
Selbiges gilt, wenn das Zurückziehen der Anmeldung vor Fortbildungsbeginn, das Ausscheiden aus der Fortbildungsmaßnahme, das Nichtablegen der Prüfung, bei Nichtbestehen die Verweigerung des Ablegens der Wiederholungsprüfung oder das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung aus berechtigten personenbedingten Gründen erfolgt, die die/der Beschäf...