LAG Niedersachsen, Urteil vom 12.10.2022, 8 Sa 123/22
Im Rahmen einer Fort-/Weiterbildungsvereinbarung kann geregelt werden, dass die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer zu erstatten sind, wenn dieser auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden die Anmeldung bis zum Beginn der Fortbildungsmaßnahme zurückzieht oder während der laufenden Maßnahme aus derselben ausscheidet und das Ausscheiden nicht aus berechtigten personenbedingten Gründen erfolgt.
Sachverhalt
Die Beklagte, die bei der Klägerin beschäftigt war, beantragte im März 2019 die Teilnahme am Angestelltenlehrgang I. Hierzu schlossen die Parteien eine Rückzahlungsvereinbarung. In dieser war in § 5 Abs. 1 geregelt, dass die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers zu erstatten seien, wenn die/der Beschäftigte auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden
(a) die Anmeldung bis zum Beginn der Fortbildungsmaßnahme zurückzieht,
(b) aus der Fortbildungsmaßnahme ausscheidet,
(c) die Prüfung nicht ablegt oder im Falle des Nichtbestehens der Prüfung selbige trotz Aufforderung des Arbeitgebers nicht wiederholt oder
(d) aus dem Arbeitsverhältnis noch vor Ablegen der die Fortbildungsmaßnahme abschließenden Prüfung ausscheidet.
Tatsächlich kündigte die Beklagte im Januar 2021 das Arbeitsverhältnis; dieses wurde dann im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 31.3.2021 aufgelöst. Da die Beklagte an der Fortführung der begonnenen Fortbildungsmaßnahme kein Interesse mehr hatte, erklärte die Klägerin gegenüber dem Studieninstitut die Beendigung der Fortbildungsmaßnahme der Beklagten. Zudem verlangte sie auf Grundlage der getroffenen Vereinbarung von der Beklagten die Erstattung der bis zu deren Ausscheiden aufgelaufenen Fortbildungskosten i. H. v. ca. 5.000 EUR. Da diese Rückzahlung von der Beklagte verweigert wurde mit der Begründung, dass die Fortbildung für sie nach Ende des Arbeitsverhältnisses keinen Vorteil mehr bedeute, da die bereits aus der Fortbildungsmaßnahme erlangten Kenntnisse für ihren neuen Arbeitsplatz ohne Wert seien, erhob die Klägerin Klage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem LAG Erfolg, die Revision wurde aber zugelassen.
Das LAG entschied, dass gegen die in der Rückzahlungsvereinbarung getroffenen Abreden keine Bedenken bestehen; da die Beklagte auch den Tatbestand dieser Rückzahlungsklausel verwirklicht hatte, sei sie zur Rückzahlung der erhaltenen Leistungen in voller Höhe verpflichtet.Nach Auffassung des LAG sei eine Klausel wie vorliegend, in der eine Rückzahlungsverpflichtung daran anknüpfe, dass der Arbeitnehmer während der Fortbildungsmaßnahme aus dieser ausscheidet, grundsätzlich wirksam.
Auch, so das Gericht weiter, begegne der Umstand, dass für diesen Fall die Vereinbarung in § 5 Abs. 1 (im Gegensatz zu der dortigen Regelung in § 5 Abs. 2) eine unbedingte und vollständige Rückzahlungsverpflichtung statuiere und dem Arbeitnehmer somit keine Möglichkeit einräume, seine Rückzahlungsverpflichtung durch eine nachfolgende Arbeitsleistung "abzuarbeiten", keinen durchgreifenden Bedenken.
Das Gericht führte zur Begründung an, dass im Falle des vorzeitigen arbeitnehmerseitigen Abbruchs der Fortbildungsmaßnahme die arbeitgeberseitigen Aufwendungen aus Gründen, die allein der Arbeitnehmer zu vertreten habe, vollständig frustriert würden; denn durch das vorzeitige Ausscheiden aus der Fortbildungsmaßnahme vereitele der Arbeitnehmer von vornherein jegliche Möglichkeit, dass der Erfolg der Fortbildung eintreten könne. Dagegen erkenne die Vereinbarung ausdrücklich an, dass der Arbeitnehmer zumindest das grundlegend Notwendige getan habe, wenn er nach vollständigem Durchlaufen der Maßnahme zur Prüfung antrete, sie aber (wiederholt) nicht bestehe. Im Gegensatz zum vorzeitigen Ausscheiden aus der Maßnahme fehle es beim Nichtbestehen – zumindest i. d. R. – an dem für eine Rückzahlungsverpflichtung notwendigen bzw. nachweisbaren Verschulden des Arbeitnehmers.
Des Weiteren benachteilige die in § 5 Abs. 1 getroffenen Rückzahlungsvereinbarung die Beklagte auch nicht unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB; denn hiernach solle der/die Beschäftigte die bis dahin angefallenen Leistungen des Arbeitgebers nur dann zu erstatten haben, wenn er/sie auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden vorzeitig aus der Fortbildungsmaßnahme ausscheide und somit nicht, wenn die Beendigung des Fortbildungsverhältnisses durch den Arbeitgeber veranlasst war bzw. jedenfalls durch den Arbeitnehmer nicht verschuldet worden sei.
Da im vorliegenden Fall die Beklagte auf eigenen Wunsch die Fortbildungsmaßnahme vorzeitig beendet hatte, hatte sie die Rechtsfolgen des § 5 Abs. 1 der Rückzahlungsvereinbarung ausgelöst. Sie konnte sich auch nicht darauf berufen, die Fortbildungsmaßnahme bedeute für sie im Rahmen des neu begründeten Arbeitsverhältnisses keinen Vorteil mehr; denn die Frage, ob der Arbeitnehmer die aus der Fortbildungsmaßnahme gewonnenen Kenntnisse zukünftig bei anderen Arbeitgebern weiter nutzen könne, spiele lediglich im Rahmen von Rüc...