Rechtsmittel eingelegt unter dem Aktenzeichen: 10 AZR 168/07
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschleiertes Arbeitseinkommen. rückständige Ansprüche. Unterhaltspflicht. Pfändung verschleierten Arbeitseinkommens
Leitsatz (amtlich)
1. Vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss werden keine rückständige Ansprüche auf verschleiertes Arbeitseinkommen erfasst.
2. Wird nach §850 h Abs. 2 ZPO ein Anspruch auf angemessene Vergütung fingiert, dann muss auch für die Erfüllung einer Unterhaltspflicht eine fiktive Betrachtung angestellt werden.
Normenkette
ZPO § 850h Abs. 2, § 850c Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hameln (Urteil vom 04.05.2006; Aktenzeichen 1 Ca 663/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 04.05.2006, 1 Ca 663/05, wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 04.05.2006, 1 Ca 663/05, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
2.1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 271,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 87,05 EUR seit dem 01.12.2005, auf weitere 87,05 EUR seit dem 01.01.2006 und auf weitere 97,05 EUR seit dem 01.02.2006 zu zahlen.
2.2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 2.662,55 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 242,05 EUR seit dem 01.03.2006, 01.04.2006, 01.05.2006, 01.06.2006, 01.07.2006, 01.08.2006, 01.09.2006, 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007.
2.3. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin für die Monate ab Januar 2007 jeweils am 01. des Folgemonats monatlich weitere 242,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit zu zahlen, solange das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und dem Schuldner P. besteht, begrenzt auf einen Gesamtbetrag von 154.086,24 EUR.
2.4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¾, die Beklagte zu 2) zu ¼.
Die Klägerin trägt die Kosten der Beklagten zu 1), ¾ der Kosten der Beklagten zu 2) und ¾ der eigenen Kosten. Die Beklagte zu 2) trägt ¼ der Kosten der Klägerin und ¼ der eigenen Kosten.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 37.706,40 EUR festgesetzt.
5. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen.
Für die Beklagten wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Drittschuldner in Anspruch, sie stützt die Klage auf den Tatbestand des verschleierten Arbeitseinkommens nach § 850 h Abs. 2 ZPO.
Der Schuldner, Vater der Beklagten zu 1) und Ehemann der Beklagten zu 2), war bis Mitte 2002 Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Klägerin und erzielte in diesem Beschäftigungsverhältnis ein monatliches Bruttoentgelt von 5.100,– EUR. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Schuldners bei der Klägerin wurde die Einzelfirma I. e.K. gegründet, Inhaberin die Beklagte zu 1) und Gewerbeanmeldung zum 01.06.2002. Geschäftsgegenstand der I. e.K. wie auch der Klägerin ist der Handel und die Verarbeitung von Wellpappe. Die Beklagte zu 1) führte das Unternehmen bis zum 31.01.2006. Ab 01.02.2006 ist die Beklagte zu 2) Firmeninhaberin.
Die Klägerin hat Ansprüche gegen den Schuldner aus dem Versäumnisurteil des LG H. vom 23.10.2003 über 158.070,74 EUR nebst Zinsen und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG H. vom 21.11.2003 über 6.281,– EUR nebst Zinsen. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 04.11.2005, zugestellt am 09.11.2005, hat die Klägerin wegen eines Teilbetrages von 50.000,– EUR Forderungen des Schuldners auf Zahlung von Arbeitseinkommen – auch Nachforderungsansprüche – in Höhe einer angemessenen Vergütung nach § 850 h Abs. 2 ZPO gepfändet. Ein weiterer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über 145.855,62 EUR ist im November 2006 erlassen und zugestellt worden. Auf den Inhalt der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, Bl. 12 ff. und Bl. 234 ff. d.A., wird Bezug genommen.
Über das Vermögen des Schuldners war ein Insolvenzverfahren beim Amtsgericht H. anhängig, das ohne Restschuldbefreiung im Oktober 2005 endete. Im Anhörungstermin vom 15.04.2005 vor dem Insolvenzgericht gab der Schuldner zu Protokoll, er habe zunächst von Mai 2002 bis November 2003 kaufmännische Tätigkeiten für die Einzelfirma seiner Tochter ausgeführt. Er habe in diesem Zeitraum wöchentlich etwa 20 Stunden gearbeitet. Die geleisteten Dienste hätten Telefondienst beinhaltet, bei dem Geschäftsabschlüsse erzielt worden seien. Nach Unterbrechung sei er wieder seit Juni 2004 tätig geworden im Umfang von 30 Stunden wöchentlich. Im Zeitraum Mai 2002 bis November 2003 habe er zwei bis drei Gehaltszahlungen à 1.000,– EUR erhalten. Seit Juni 2004 habe er einen Aushilfslohn von 400,– EUR monatlich erhalten. Seit August 2002 sei auch seine Ehefrau, die Beklagte zu 2), bei der Tochter beschäftigt gewesen....