Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsänderung. Unterlassungsanspruch. Versetzung. Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Versetzung und Betriebsänderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist streitig, ob sich aus §§ 111 ff. BetrVG ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung von Betriebsänderungen bis zum Abschluss eines Interessenausgleichs bzw. bis zum Scheitern derartiger Verhandlungen über den Abschluss ergibt.
2. Nach Auffassung der erkennenden Kammer besteht ein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei Betriebsänderungen nicht.
3. Auch neben den Regelungen der §§ 100, 101 BetrVG besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu Gunsten des Betriebsrats. Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit etwaige Rechtsschutzlücken bewusst in Kauf genommen.
Normenkette
BetrVG §§ 100-101, 111
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 30.06.2005; Aktenzeichen 10 BVGa 6/05) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.06.2005 (Az.: 10 BVGa 6/05) wird zurückgewiesen.
2. Eine Rechtsbeschwerde kann nicht zugelassen werden.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren ist der örtliche Betriebsrat (im Folgenden Betriebsrat) der Vertriebsdirektion K. im Versicherungsunternehmen der Antragsgegnerin (im Folgenden Arbeitgeberin).
Gegenstand der Auseinandersetzung sind vom Betriebsrat behauptete Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit der Umsetzung des Projektes „Effektives Vertriebsmanagement II” (im Folgenden EVM II).
Der Betriebsrat begehrt nach näherer Maßgabe seiner Anträge von der Arbeitgeberin die Unterlassung verschiedener arbeitgeberseitiger Maßnahmen mit der Begründung, es liege insoweit eine (beabsichtigte) Betriebsänderung vor, ohne dass die Arbeitgeberin seine Mitbestimmungsrechte gewahrt habe. Zudem führe die Arbeitgeberin Versetzungen durch, ohne ihn – den Betriebsrat – vorher zu beteiligen. Hilfsweise geht es dem Betriebsrat um die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Durchführung des Verfahrens im Falle der Mitbestimmung bei Versetzungen.
In der Vertriebsdirektion der Arbeitgeberin in K sind ca. 85 angestellte Außendienstmitarbeiter beschäftigt, die als Partnerverkäufer bezeichnet werden. Unstreitig handelt es sich insoweit um Arbeitsverhältnisse. Die Aufgaben der Partnerverkäufer bestehen – neben der Gewinnung und Betreuung nebenamtlicher Mitarbeiter und weiteren in Ziffer 6 des vom Betriebsrat so bezeichneten und in Kopie eingereichten Musterarbeitsvertrages (Bl. 10 bis 17 d. A.) beschriebenen Tätigkeiten – insbesondere in der Werbung für die Produkte der Arbeitgeberin und ihrer Kooperationspartner sowie in der Vermittlung von Versicherungsverträgen.
Die Arbeitgeberin betreibt die Umsetzung eines von ihr „EVM II” (Effektives Vertriebsmanagement Umsetzungsstufe 2) genannten Projektes, mit dem die Arbeitsweisen ihre angestellten Außendienstmitarbeiter beschrieben und angepasst werden sollen.
Die Arbeitgeberin hat deshalb einen so genannten „Führungskräfte-Guide für Vertriebsdirektoren” (Bl. 18 bis 27 d. A.) entwickelt, auf dessen Inhalt insgesamt Bezug genommen wird und in dem es unter anderem heißt (Kopie Bl. 21 d. A.):
„Standards
Als Basis für die Führung sind einheitliche Standards für die Agenturarbeit festgelegt:
Mitarbeitergewinnung
3 MiZ-Direktansprachen im Verkaufsgespräch pro Woche
1 Interessent zum Chancenvortrag (gilt für Aufbauagentur) pro Monat
1 MiZ-Einstellung alle zwei Monate
Kundenberatung mit KBB
2 KBB-Termine pro MiZ pro Monat
12 KBB-Analysen pro Aufbauagentur pro Montat
20 KBB-Analysen pro Musteragentur pro Monat
Verkaufsgespräche
3 Verkaufsgespräche pro Tag
15 Verkaufsgespräche pro Woche”.
Auf die Anfragen des Betriebsrates wegen seiner Beteiligungsrechte im Rahmen der Planungen zum Projekt „EVM II” im Hinblick auf die beabsichtigten Änderungen der Tätigkeiten der Partnerverkäufer teilte die Arbeitgeberin diesem mit Schreiben vom 17.05.2005 mit, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates seien nicht gegeben, da mit „EVM II” nur das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter konkretisiert werde.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Festlegung von Standards für die Arbeitstätigkeit der bislang in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben völlig freien Partnerverkäufer führe zu einer grundlegenden Änderung der Arbeitsmethoden. Der insoweit geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei daher wegen der damit verbundenen Betriebsänderung gerechtfertigt.
Zudem werde den angestellten Außendienstmitarbeitern dauerhaft ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen. Da die Arbeitgeberin hierdurch Versetzungen durchgeführt habe, ohne sein Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen zu beachten, sei auch der weitere Unterlassungsanspruch begründet. Die Arbeitgeberin habe sich insoweit grob betriebsverfassungswidrig verhalten. Jedenfalls müsse die Arbeitgeberin entsprechend dem weiteren Antrag angehalten werden, künftig das gesetzliche Verfahren zur Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen einzuhalten.
Der Betriebsrat hat zuletzt beant...