Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsplatzschikane durch "Mobbing". Unbegründete Schadensersatzklage eines Systemadministrators bei unzureichenden Darlegungen von als "Mobbing" zu bewertenden Verhaltensweisen
Leitsatz (redaktionell)
1. "Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und keine eigenständige Anspruchsgrundlage sondern bezeichnet das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Schlechterstellen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
2. Der Arbeitgeberin obliegt es aufgrund ihrer Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), sich selbst der Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers zu enthalten und darüber hinaus dafür Sorge zu tragen, dass auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht genommen wird und er vor Gesundheitsgefahren (auch psychischer Art) geschützt wird; der Arbeitnehmer darf keinem Verhalten ausgesetzt werden, das die Verletzung seiner Würde bezweckt oder bewirkt und einem von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld ausgesetzt ist.
3. Nach allgemeinen Grundsätzen muss sich die Arbeitgeberin auch bezüglich entsprechender Schutzpflichtverletzungen das Verhalten ihrer Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) zurechnen lassen; für die durch Geschäftsführer verwirklichte Haftungstatbestände haftet die Arbeitgeberin gemäß § 31 BGB umfassend.
4. Im Arbeitsleben auftretende Konflikte, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, sind regelmäßig sozial- und rechtsadäquat und daher nicht geeignet, die für ein Mobbing erforderliche Systematik sowie eine mobbingtypische Täter-Opfer-Konstellation zu begründen; solche alltäglichen Konfliktsituationen am Arbeitsplatz sind gegenüber tatsächlichem Mobbingverhalten aufgrund der Art des Betriebes und des üblichen Umgangs der Beschäftigten untereinander sowie im Verhältnis zu den Vorgesetzten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise voneinander abzugrenzen.
5. Die rechtmäßige Ausübung des Direktionsrechts ist kein Mobbing, soweit sich aus ihr nicht eine eindeutig schikanöse Tendenz ergibt; selbst fehlerhafte Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung und unbeherrschtes Verhalten eines Vorgesetzten stellen grundsätzlich kein Mobbing dar, da von Führungsfehlern nicht ohne weiteres auf eine feindliche Einstellung gegenüber den Beschäftigten geschlossen werden kann.
6. Bei Ausspruch einer rechtlich zulässigen Abmahnung begeht die Arbeitgeberin keinen Verstoß gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis; Mobbing scheidet grundsätzlich auch dann aus, wenn sich die Abmahnung nachträglich als unberechtigt herausstellt, da es insoweit entscheidend darauf ankommt, ob sich die Abmahnung im Zeitpunkt ihres Ausspruchs (ex-ante) aus Sicht einer verständigen Arbeitgeberin als berechtigt darstellte.
7. Spricht die Arbeitgeberin eine Abmahnung mutwillig und ohne jeden Anlass aus, setzt Mobbing eine schikanöse Tendenz und bei Ausspruch der Abmahnung eine Täter-Opfer-Konstellation voraus; letztere liegt regelmäßig nicht vor, wenn der Arbeitnehmer als Adressat der Abmahnung seinerseits zur Zuspitzung des zugrundeliegenden Konflikts beigetragen hat.
8. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist darauf abzustellen, dass den dargelegten Einzelfällen ein Fortsetzungszusammenhang innewohnt, aus dem sich durch Anhäufung einer Vielzahl von Handlungen ein Unrechtsgehalt vermittelt; fehlt es an einem solchen abgestimmten Vorgehen, liegt die für das Mobbing typische Ansammlung verschiedener Einzelhandlungen regelmäßig nicht vor.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 278, 823 Abs. 1-2, §§ 831, 31, 280 Abs. 1, § 314 Abs. 2, § 611 Abs. 1; GewO § 106
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 5 Ca 82/12KH) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 05.02.2015 - 5 Ca 82/12 KH - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufung noch über Ansprüche auf Sonderprämien, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld sowie um den Ersatz materieller und immaterieller Schäden aufgrund Mobbings.
Zwischen den Parteien ist ein weiteres Verfahren (Az. 1 Sa 190/15) anhängig, in dem der Kläger unter anderem die Beklagte auf Schmerzensgeld wegen der auch hier gegenständlichen Mobbingvorwürfe in Anspruch nimmt.
Der 1961 geborene Kläger ist seit dem 02.01.1992 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Systemadministrator in der IT-Abteilung. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug zuletzt 4.084,35 EUR; das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den für die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie in Rheinland und Rheinhessen geltenden Tarifverträgen (im Folgenden: "TV Metall- und Elektroindustrie").
Kraft Bescheides vom 08.03.2013 wurde für den Kläger rückwirkend zum 26.02.2012 ein GdB von 50 anerkannt.
Die Beklagte ist ein im Bereich der Lagertechnik tätiges Unternehmen und beschäftigt ca. 700 Arbei...