Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsplatzschikane durch “Mobbing„. Unbegründete Schadensersatzklage bei unzureichender Darlegung von als “Mobbing„ zu bewertenden Weisungen und Abmahnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Das unter diesem Oberbegriff erfasste systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Beschäftigten untereinander oder durch Vorgesetzte kann jedoch die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB darstellen und damit die Arbeitgeberin bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch zur Leistung von Schadensersatz verpflichten.

2. Der Arbeitsgeberin obliegt es aufgrund ihrer Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), sich selbst der Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers zu enthalten und darüber hinaus auch dafür Sorge zu tragen, dass auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht genommen wird und dass der Arbeitnehmer vor Gesundheitsgefahren auch psychischer Art geschützt wird. Der Arbeitnehmer darf keinem Verhalten ausgesetzt sein, das die Verletzung seiner Würde bezweckt oder bewirkt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

3. Im Arbeitsleben auftretende Konflikte, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, sind regelmäßig sozial- und rechtsadäquat und daher nicht geeignet, die für ein Mobbing erforderliche Systematik sowie eine Täter-Opfer-Konstellation zu begründen. Alltägliche Konfliktsituationen am Arbeitsplatz sind gegenüber tatsächlichem Mobbingverhalten aufgrund der Art des Betriebes und des üblichen Umgangs der Beschäftigten untereinander sowie im Verhältnis zu den Vorgesetzten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise voneinander abzugrenzen.

4. Damit ein Verhalten nicht als Mobbing zu bewerten ist, reicht es bereits aus, dass es sich im Rahmen des sozial- und rechtsadäquaten bewegt, so dass das Vorliegen eines sachlichen Grundes für jede einzelne Weisung oder Maßnahme nicht erforderlich ist. Entscheidend ist vielmehr, dass der Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts (§ 106 GewO) gewahrt bleibt.

5. Die rechtmäßige Ausübung des Direktionsrechts ist kein Mobbing, soweit sich aus ihr nicht eine eindeutig schikanöse Tendenz ergibt. Selbst fehlerhafte Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung und unbeherrschtes Verhalten eines Vorgesetzten stellen grundsätzlich kein Mobbing dar, da von Führungsfehlern nicht ohne weiteres auf eine feindliche Einstellung gegenüber den Beschäftigten geschlossen werden kann.

6. Bei Ausspruch einer rechtlich erlaubten Abmahnung begeht die Arbeitgeberin keinen Verstoß gegen ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, so dass insoweit kein Mobbing vorliegt. Das gilt grundsätzlich auch, wenn sich die Abmahnung nachträglich als unberechtigt herausstellt, da es entscheidend darauf ankommt, ob sich die Abmahnung im Zeitpunkt ihres Ausspruchs (ex-ante) aus Sicht einer verständigen Arbeitgeberin als berechtigt und nicht mutwillig darstellt.

7. Mobbing durch Abmahnung erfordert eine schikanöse Tendenz sowie eine Täter-Opfer-Konstellation, die regelmäßig nicht gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer als Adressat der Abmahnung seinerseits zur Zuspitzung des zugrundeliegenden Konflikts beigetragen hat.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 278, 823 Abs. 1-2, §§ 831, 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 5 Ca 904/11)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz- Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 05.02.2015 - 5 Ca 904/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung über die gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger Schmerzensgeld wegen Mobbing zu zahlen. Hinsichtlich des ursprünglich als Beklagten zu 4) beklagten Herrn J.C. (im Folgenden: ehemaliger Beklagte zu 4)), über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wurde das Verfahren abgetrennt.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ist ein weiteres, im Wesentlichen ebenfalls auf Schadensersatzforderungen wegen Mobbing gestütztes Verfahren anhängig (AZ: 1 Sa 189/15), in welchem der Kläger unter anderem den Ersatz von Heilbehandlungskosten und Entgeltausfall geltend macht.

Der 1961 geborene Kläger ist seit dem 02.01.1992 bei der Beklagten zu 1) beschäftigt, zuletzt als Systemadministrator in der IT-Abteilung. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers betrug zuletzt 4.084,35 EUR; das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den für die Betriebe der Metall- und Elektroindustrie in Rheinland und Rheinhessen geltenden Tarifverträgen.

Kraft Bescheides vom 08.03.2013 wurde für den Kläger rückwirkend zum 26.02.2012 ein GdB von 50 anerkannt. Seit dem 27.04.2012 ist der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zu 1) hat deswegen bei dem zuständ...

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