Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung, außerordentliche. Verfügung, einstweilige. Weiterbeschäftigung. Einstweilige Verfügung. Weiterbeschäftigung nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Voraussetzungen einer Weiterbeschäftigungspflicht der Verfügungsklägerin nach § 102 Abs. 5 BetrVG sind nicht gegeben, wenn die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nicht nur ordentlich, sondern vielmehr (bereits vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung) fristlos gekündigt hatte.
2. Eine Weiterbeschäftigungspflicht nach § 102 Abs. 5 BetrVG kann bei Ausspruch sowohl einer außerordentlichen als auch einer ordentlichen Kündigung nur in Ausnahmefällen entstehen, etwa dann, wenn sich die außerordentliche Kündigung als offensichtlich unwirksam erweist oder deren Ausspruch (z.B. weil er ausschließlich zur Verhinderung der Weiterbeschäftigungspflicht erfolgte) als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dasselbe gilt, wenn die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung durch rechtskräftiges Urteil festgestellt ist
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 29.10.2010; Aktenzeichen 8 Ga 31/10) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.10.2010 – 3 Ga 31/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob die Verfügungsklägerin für die Zeit nach dem 31.10.2010 zur Weiterbeschäftigung der Verfügungsbeklagten verpflichtet ist bzw. darüber, ob die Verfügungsklägerin von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung zu entbinden ist.
Die Verfügungsbeklagte war bei der Verfügungsklägerin seit dem 01.03.2004 als Pressesprecherin beschäftigt. Die Verfügungsklägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.07.2010 fristlos. Zwei weitere, gleichlautende Kündigungsschreiben, datiert auf den 13.07.2010 erreichten die Verfügungsbeklagte durch Boten ebenfalls am 13.07.2010. Mit Schreiben vom 16.07.2010 kündigte die Verfügungsklägerin das Arbeitsverhältnis hilfsweise ordentlich aus verhaltensbedingten Gründen zum 31.10.2010. Schließlich kündigte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 30.07.2010 das Arbeitsverhältnis hilfsweise ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 31.10.2010.
Der mit Schreiben vom 30.07.2010 zum 31.10.2010 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat im Rahmen seiner Anhörung mit Schreiben vom 30.07.2010 „gemäß § 102 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 BetrVG” widersprochen. Hinsichtlich der Begründung des Widerspruchs wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.10.2010 (dort Seite 3 f = Bl. 194 f d.A.) Bezug genommen.
Die Verfügungsbeklagte hat sämtliche der o.g. Kündigungen durch Kündigungsschutzklage angegriffen und den von ihr im Rahmen des betreffenden Kündigungsschutzverfahrens gestellten Weiterbeschäftigungsantrag (auch) auf § 102 Abs. 5 BetrVG gestützt. Daraufhin hat die Verfügungsklägerin das vorliegende einstweilige Verfügungsverfahren eingeleitet.
Im Kündigungsschutzverfahren hat das Arbeitsgericht Mainz mit Urteil vom 04.03.2011 (Az.: 8 Ca 1319/10) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentlichen fristlosen Kündigungen der Verfügungsklägerin vom 12.07. und 13.07.2010 noch durch die ordentliche Kündigung der Verfügungsklägerin vom 16.07.2010 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.10.2010 fortbestanden hat. Die gegen die ordentliche Kündigung der Verfügungsklägerin vom 30.07.2010 zum 31.10.2010 gerichtete Klage hat das Arbeitsgericht hingegen – ebenso wie den Weiterbeschäftigungsantrag – abgewiesen.
Gegen das oben bezeichnete Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren ist beim LAG Rheinland-Pfalz unter dem Az.: 8 Sa 261/11 anhängig.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Verfügungsklägerin für den Zeitraum nach Ablauf des 31. Oktober 2010 nicht zur Weiterbeschäftigung der Verfügungsbeklagten verpflichtet ist;
hilfsweise: die Verfügungsklägerin von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung der Verfügungsbeklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens – Arbeitsgericht Mainz 8 Ca 1319/10 – zu entbinden.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 29.10.2010 (Bl. 192 – 199 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.10.2010 festgestellt, dass die Verfügungsklägerin für den Zeitraum nach Ablauf des 31.10.2010 nicht zur Weiterbeschäftigung der Verfügungsbeklagten verpflichtet ist. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 – 13 dieses Urteils (= Bl. 200 – 204 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 17.11.2010 zugestellte Urteil hat die Verfügungsbeklagte am 09.12.2010 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit...