Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheitskontrolle. Gratifikationsklausel. Unwirksamkeit. Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Gratifikationsklausel
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers kann bei einer Arbeitsvertragsklausel betreffend die Gewährung einer Gratifikation darin liegen, dass der Arbeitnehmer einen vollständigen Verlust seines Anspruchs auf Sonderzahlung erleiden kann, ohne dass die Ursache in seiner Sphäre liegt.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen 8 Ca 2555/06) |
ArbG Koblenz (Urteil vom 15.04.2007; Aktenzeichen 8 Ca 2555/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. April 2007 – 8 Ca 2555/06 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2005 und 2006.
Der Kläger war seit 01. September 2003 als Disponent mit einem Bruttogehalt von zuletzt 3.000,00 EUR angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete nach betriebsbedingter Kündigung aufgrund eines Vergleiches mit Ablauf des 31. Januar 2007.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19. April 2007 – 8 Ca 2555/06 – und dort insbesondere auf den Inhalt der §§ 6 und 14, des zwischen den Parteien am 30. August 2003 geschlossenen Arbeitsvertrages gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
Im vorerwähnten Urteil lehnte das Arbeitsgericht einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld für 2005 ab; für 2006 sprach es dem Kläger den eingeklagten Betrag zu.
Zur Begründung für den ablehnenden Teil der Entscheidung führte es aus, der Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation 2005 sei durch Erfüllung erloschen, da die Beklagte mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 1.500,00 EUR aufgerechnet und im übrigen durch Zahlung an den Kläger bzw. Sozialversicherungsträger Erfüllung eingetreten sei. Dass es sich bei der Sonderzuwendung in der Abrechnung Dezember 2005 um einen im Sommer 2005 zusätzlich zugesagten Betrag gehandelt habe, könne wegen der klaren Bezeichnung der Zuwendung als „Gratifikation” ausgeschlossen werden.
Im übrigen sei der Anspruch nach § 14 des Arbeitsvertrages verfallen, da der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht innerhalb von vier Monaten nach Fälligkeit am 01. Dezember 2005 schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Im übrigen sei nicht vorgetragen, in welcher konkreten Höhe der Geschäftsführer der Beklagten im Sommer 2005 einen weiteren Sonderzahlungsanspruch in Aussicht gestellt habe. Ein Beweisangebot habe der Kläger im Schriftsatz vom 28. Februar 2007 nicht vorgelegt. Im übrigen sei es verspätet und würde als Ausforschungsbeweis unzulässig sein.
Bezogen auf den zuerkannten Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation für 2006 führt das Arbeitsgericht aus, diesem Anspruch stünde nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen; denn der Kläger sei nicht zur alsbaldigen Rückzahlung der Gratifikation verpflichtet. Die Rückzahlungsklausel in § 6 des Arbeitsvertrages sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da auch der Fall einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers erfasst würde. Unerheblich sei, dass keine betriebsbedingte Kündigung im Raum gestanden habe. Unter Geltung der neuen §§ 305 ff. BGB sei das Ergebnis ergänzend insoweit zu begründen, als Zweifel bei der Auslegung der Vertragsbedingungen zu Lasten des Verwenders gingen. Die Bestimmung in § 6 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages ließe nicht eindeutig erkennen, dass die Vertragsbeendigung auf alleinige Veranlassung des Arbeitgebers nicht erfasst sein solle. Die Auslegung der Klausel führe deshalb zum Ergebnis, dass diese auch den Fall umfasse, der Rechte des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Eine geltungserhaltende Reduktion schiede aus. Eine unangemessene Benachteiligung könne sich auch daraus ergeben, dass die Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich sei. Eine Klausel, die nicht von vorneherein klar erkennen ließe, welche Fälle der Vertragsbeendigung sie nicht erfassen solle, sei intransparent.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Seite 7 – 12 = Blatt 74 – 79 d. A.) Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 25. April 2007 zugestellte Urteil richtet sich deren am 15. Mai 2007 mit gleichzeitiger Begründung eingelegte Berufung. Die Anschlussberufung des Klägers ist am 21. Juni 2007 begründet worden.
Die Beklagte ...