Entscheidungsstichwort (Thema)

Anzeigepflicht. Interessenabwägung. Nachweispflicht. Parteivernehmung. außerordentliche Kündigung. Anzeigepflicht bei Krankheit. Arbeitsvertragliche Anzeigepflicht bei Krankheit. Darlegungs- und Beweislast. Beweisantritt durch eigene Parteivernehmung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verletzung der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit kann bei erschwerenden Umständen des Einzelfalls nach entsprechender Abmahnung nicht nur eine ordentliche, sondern eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

2. Solche erschwerenden Umstände liegen vor, wenn der Arbeitnehmer seine Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit hartnäckig und uneinsichtig verletzt hat.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; EFZG § 5 Abs. 1; ZPO §§ 445, 448

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 28.07.2011; Aktenzeichen 11 Ca 208/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 28. Juli 2011, Az.: 11 Ca 208/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 811,20 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 04.03.2011.

Der Kläger (geb. am 01.07.1974, geschieden, ein Kind) war seit dem 04.01.2010 bei der Beklagten zu einem Stundenlohn von € 10,40 brutto als Dachdeckerhelfer beschäftigt. Er ist mit einem GdB von 50 schwerbehindert. Die Beklagte beschäftigt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien u.a. folgendes geregelt:

"§ 5 Erkrankung

...

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen entschuldbaren Verhinderung den Grund und die voraussichtliche Dauer seiner Verhinderung unverzüglich, spätestens bis zu Beginn der üblichen Arbeitszeit mitzuteilen und im Krankheitsfall ab dem 1. Krankheitstag durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen."

Mit Schreiben vom 07.01.2011 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers - ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes - wegen Arbeitsmangels ordentlich zum 25.01.2011 gekündigt. Im anschließenden Rechtsstreit (Az.: 11 Ca 63/11) einigten sich die Parteien im Gütetermin am 15.02.2011 vor dem Arbeitsgericht darauf, dass die Beklagte aus der Kündigung keine Rechte herleitet. Im Sitzungsprotokoll vom 15.02.2011 ist festgehalten, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger aufgefordert hat, am 16.02.2011 um 8:00 Uhr zur Arbeit zu erscheinen.

Der Kläger erschien weder am 16.02. noch am 17.02.2011 zur Arbeit. Daraufhin erteilte ihm die Beklagte am 17.02.2011 eine Abmahnung, die ihm am selben Tag zugestellt worden ist. Weil der Kläger auch am 18.02. und am 21.02.2011 nicht zur Arbeit erschienen ist und bis dahin keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt hat, beantragte die Beklagte am 21.02.2011, eingegangen beim Integrationsamt am 22.02.2011, die Zustimmung zur fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Nach Einleitung des Zustimmungsverfahrens gingen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 02.03.2011, zugegangen am 04.03.2011, stimmte das Integrationsamt der beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zu. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben 04.03.2011 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 19.03.2011. Gegen die fristlose Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 10.03.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Die ordentliche Kündigung greift er nicht an.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 28.07.2011 (dort Seite 2-6 = Bl. 79-83 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 04.03.2011 das Arbeitsverhältnis nicht fristlos beendet worden ist, sondern fortbesteht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 19.03.2011.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung sei nach § 626 Abs. 1 BGB wirksam. Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Z. Y. sei die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht - wie er behaupte - am 16.02.2011 dem Zeugen eine SMS geschrieben habe, um ihm seine Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, damit er diese an den Geschäftsführer der Beklagten weiterleite. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass bei der Beklagten am 16.02.2011 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingegangen sei. Auf das Abmahnungsschreiben vom 17.02.2011 habe der Kläger nicht reagiert. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien der Beklagten vielmehr erst am 24.02.2011 zugegangen. Die I...

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