Entscheidungsstichwort (Thema)
Entwendung. Kündigung, fristlose. Sachen, geringwertige. Entwendung geringwertiger Sachen und fristlose Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen der Interessenabwägung bei einer Kündigung aus wichtigem Grund sind die Betriebszugehörigkeit und das beanstandungsfreie Arbeiten während dieser Zeit zu berücksichtigen. Des Weiteren kann auch der Umstand Berücksichtigung finden, dass beim Arbeitnehmer vor einem von ihm begangenen Diebstahl der Eindruck entstehen konnte, die entwendeten Sachen sollten für einen karitativen Zweck verwendet werden. Für des Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers kann auch berücksichtigt werden, dass es sich bei dem Diebesgut um Ausschussware handelt, die nicht für den Vertrieb durch den Arbeitgeber bestimmt war.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 03.12.2007; Aktenzeichen 6 Ca 1803/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 03.12.2007, Az. 6 Ca 1803/06 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie zweier ordentlichen Kündigungen.
Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 03.12.2007 (dort Seite 3 bis 7 = Bl. 149 bis 153 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung aus dem Schreiben der Beklagten vom 05.09.2006, zugegangen am 05.09.2006, nicht aufgelöst ist,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 05.09.2006, zugegangen am 05.09.2006, „hilfsweise fristgemäß zum 30.04.1007” erklärte ordentliche Kündigung nicht aufgelöst wird,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung zum 31.07.2007 aus dem auf Firmenbriefbogen der Beklagten verfassten, von Herrn X. und Frau W. unterzeichneten Schreiben vom 05.12.2006, zugegangen am 05.12.2006, nicht aufgelöst wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – hat entsprechend seinem Beschluss vom 16.05.2007 (vgl. Bl. 118 d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen V.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.05.2007 (vgl. Bl. 118 f. d. A.) verwiesen.
Sodann hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 03.12.2007 (Bl. 147 ff. d. A.) die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis sei bereits durch die fristlose Kündigung vom 05.09.2006 rechtswirksam beendet worden, da ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliege, die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs.2 BGB gewahrt sei, der Betriebsrat entsprechend § 102 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden sei und sich die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung auch nicht aus §§ 68 Abs.1 bis 3, 85, 91 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 134 BGB ergebe. Der wichtige Grund für die fristlose Kündigung resultiere aus dem Umstand, dass die Klägerin unstreitig zwölf Kinderzahnbürsten aus einem Ausschusskarton der Beklagten entwendet habe. Im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung habe das Beendigungsinteresse der Beklagten gegenüber dem Bestandsinteresse der Klägerin überwogen, zumal bei der Beklagten durch den Diebstahl ein schwerwiegender Vertrauensverlust bewirkt worden sei. Das Arbeitsverhältnis habe zwar zum Kündigungszeitpunkt bereits 23 Jahre bestanden und sei bis dahin störungsfrei verlaufen, jedoch sei zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang vor Ausspruch der Kündigung der gesundheitlich beeinträchtigten Klägerin einen leidensgerechten Arbeitsplatz und akzeptable Arbeitsbedingungen verschafft habe. Angesichts der langjährigen Beschäftigungszeit der Klägerin wiege der Vertrauensverlust der Beklagten vor dem Hintergrund des strafrechtlich relevanten Verhaltens der Klägerin um so schwerer.
Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, zumal die Klägerin zu den Diebstahlsvorwürfen zunächst am 16.08.2006 angehört worden sei und noch am gleichen Tag das Zustimmungsverfahren beim zuständigen Integrationsamt eingeleitet worden sei. Nachdem die Zustimmung des Integrationsamtes mit Bescheid vom 01.09.2006 erteilt worden sei, habe die Beklagte am 05.09.2006 die fristlose Kündigung erklärt, wobei die Kündigungserklärung der Klägerin noch am gleichen Tag zugegangen sei.
Die fristlose Kündigung vom 05.09.2006 sei auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam, da der Betriebsrat mit Anhörungsschreiben vom 21.08.2006 über die Kündigungsgründe, die aus der...