Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. beharrliche Arbeitsverweigerung. Betriebsratsanhörung. Personalien. Steuerkarte. Unterhaltspflichten. Persönliche Daten in der Steuerkarte für Betriebsratsanhörung
Leitsatz (amtlich)
Die Steuerkarte ist ein amtliches Dokument, sodass sich der Arbeitgeber grundsätzlich im Rahmen der Betriebsratsanhörung auf die Richtigkeit der hierin vermerkten persönlichen Daten des Arbeitnehmers verlassen darf, sofern er keine gegenteilige Kenntnis hat. Dem Arbeitnehmer trifft die Obliegenheit, seine persönlichen Daten wie Anschrift, Familienstand und Anzahl unterhaltsberechtigter Personen dem Arbeitgeber mitzuteilen. Eigene Nachforschungen braucht der Arbeitgeber in aller Regel nicht anzustellen.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Urteil vom 15.01.2004; Aktenzeichen 2 Ca 2401 c/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Neumünster vom 15. Januar 2004 – Az.: 2 Ca 2401 c/03 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Der heute 33-jährige Kläger war seit dem 09.12.1994 bei der Beklagten als Chemiehelfer zu einem durchschnittlichen Bruttogehalt von EUR 2.400,– beschäftigt. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis aufgrund eines vermuteten Rückfalls einer zuvor therapierten Alkoholsucht am 14.08.2003 fristlos – hilfsweise fristgerecht zum 31.10.2003 – gekündigt. Der sodann vom Kläger eingeleitete Kündigungsschutzprozess (ArbG Neumünster 2 Ca 1525 c/03) endete durch Prozessvergleich vom 09.09.2003. Danach sollte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2003 aufgrund personenbedingter Gründe enden, die Beklagte erteilte dem Kläger gleichzeitig eine Wiedereinstellungszusage für den Fall nachgewiesener, dreimonatiger Abstinenz bis spätestens zum 31.10.2004 zu den bisherigen Bedingungen. Der zunächst geschlossene Widerrufsvergleich wurde am 18.09.2003 bestandskräftig. Hiervon erhielt die Beklagte am 22.09.2003 Kenntnis.
Der Kläger erschien weder am 23.09.2004 noch in der Folgezeit zur Arbeit, woraufhin die Beklagte zwei Abmahnungen vom 06.10. und 10.10.2003 (Bl. 29 f. d. GA.) verfasste, die dem Kläger indessen aufgrund eines Wohnungswechsels nicht zugingen, indessen jeweils in Kopie seinem Prozessvertreter. Mit Anhörungsbogen vom 15.10.2003 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten Kündigung zum 31.12.2003 (Bl. 31 – 35 d. GA.). Die dort genannten persönlichen Daten des Klägers „Steuerklasse 1 und keine Kinder” hatte die Beklagte der Steuerkarte des Klägers entnommen. Mit Schreiben vom 20.10.2003 sprach die Beklagte die fristlose Kündigung aus, die sie in den Hausbriefkasten des Klägers einwarf. Nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass sich der Kläger seit dem 09.10.2003 in Untersuchungshaft befand, kündigte sie dem Kläger mit Schreiben vom 21.10.2003 – dem Kläger zugestellt in der Haftanstalt.
Wegen des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.01.2004 abgewiesen. Wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung habe die Beklagte aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen können. Nachdem der im Vorprozess geschlossene Prozessvergleich rechtswirksam geworden sei, hätte der Kläger seine Arbeit spätestens am 19.09.2003 wieder aufnehmen müssen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zuvor zur Arbeitsaufnahme aufzufordern. Aufgrund des Vorprozesses, dem ebenfalls der Vorwurf unentschuldigten Fehlens zugrunde gelegen habe, sei der Kläger zudem ausreichend gewarnt, dass die Beklagte ein derartiges vertragswidriges Verhalten nicht dulde. Einer Abmahnung habe es mithin im vorliegenden Falle nicht bedurft. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich im Hinblick auf die persönlichen Daten des Klägers auf die Angaben in dessen Lohnsteuerkarte verlassen habe.
Gegen dieses ihm am 18.02.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger beim Landesarbeitsgericht am 09.03.2004 Berufung eingelegt und diese am 15.05.2004 begründet.
Der Kläger trägt vor,
entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Kündigung bereits wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Die Beklagte habe dem Betriebsrat mitgeteilt, dass er keine Kinder habe, obgleich ihr aus der Klagschrift in dem Vorprozess bekannt gewesen sei, dass er „für 2 Kinder und eine Lebensgefährtin Unterhaltspflichten zu erfüllen” habe. Zudem habe das Arbeitsgericht die Grundsätze der „beharrliche Arbeitsverweigerung” verkannt. Ausweislich der gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG geschlossenen Fürsorgevereinbarung (Bl. 90 ff. d. GA.) sei die Beklagte vorliegend verpflichtet gewesen, die dort...