Kündigung wegen vermeintlicher Filetiermesser-Attacke
Ein scharfes Filetiermesser am Hals zu sehen, ist keine angenehme Situation. Ist es ein Arbeitskollege, der das Messer in der Hand hält, landet ein solche Sache - wie vorliegend- auch mal vor dem Arbeitsgericht. Aufgrund der Schilderungen einer Arbeitnehmerin, die zusammen mit einem Kollegen an einem Probierstand arbeitete und sich von ihrem Kollegen bedroht fühlte, kündigte der Arbeitgeber diesem fristlos. Der Sachverhalt ließ sich vor Gericht nicht hundertprozentig aufklären. Auch in zweiter Instanz vor dem LAG Schleswig-Holstein hatte die Kündigung keinen Bestand.
Kündigung wegen angeblicher Bedrohung einer Kollegin
Der 29-jährige Arbeitnehmer ist seit 2019 als Industriemechaniker beschäftigt. Im Juni 2022 war er zusammen mit einer Kollegin an einem Probierstand eingesetzt. Hier kam es zu dem Zwischenfall, bei dem sich die Kollegin bedroht fühlte, weil der Kollege ihr ein 20 cm langes Fischfiletiermesser sehr nah auf Höhe ihres Halses gehalten habe. Nachdem der Arbeitgeber davon erfahren hatte, kündigte er in Rücksprache mit dem Betriebsrat fristlos, hilfsweise ordentlich.
Der Arbeitgeber stützte seine Kündigung nicht auf den Kündigungsgrund einer strafrechtlich relevanten vorsätzlichen Bedrohung, sondern auf eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung: eine durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingte konkrete Gefährdung von Leib und Leben einer Mitarbeiterin.
LAG: Keine Abmahnung, keine wirksame Kündigung
Das LAG Schleswig-Holstein entschied, dass die fristlose Kündigung nicht wirksam war. Es stellte fest, dass die ernstliche Bedrohung einer Arbeitskollegin zwar "an sich" ein wichtiger Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung sein kann. Dies setze aber voraus, dass der Arbeitnehmer mit dem Willen gehandelt habe, dass die Kollegin die Drohung auch als ernst gemeint auffasse. Hiervon war das Gericht nach dem Beweisvortrag nicht überzeugt, da der Arbeitnehmer das Messer sofort nach einer entsprechenden Aufforderung der Kollegin niedergelegt habe. Zudem spreche gegen die Ernsthaftigkeit einer Bedrohung, dass die Kollegin nach Zeugenaussagen, nach dem Vorfall gelacht und sich erst viel später hilfesuchend an den Betriebsrat gewandt habe.
Der Arbeitgeber habe die Kündigung aber auch nicht auf eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung stützen können. Das Gericht betonte, dass auch der unsachgemäße Umgang mit einem Messer, der fahrlässig die Gesundheit einer Mitarbeiterin gefährde, eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen könne. In diesem Fall hätte vor Ausspruch der Kündigung jedoch eine Abmahnung erfolgen müssen.
Verdachtskündigung erfordert schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung
Das LAG Schleswig-Holstein verneinte auch eine Verdachtskündigung. Eine solche könne wegen des dringenden Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall habe der Arbeitgeber den dringenden Tatverdacht ausschließlich auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung gestützt. Dabei habe er verkannt, dass ein dringender Tatverdacht nur dann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt, wenn sich der dringende Verdacht auf eine "schwerwiegende" arbeitsvertragliche Pflichtverletzung bezieht.
Hinweis: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. Juli 2023, Az: 5 Sa 5/23; Vorinstanz: Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 30. November 2022, Az: 3 Ca 157/22
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