Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung der Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch aus § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein dem Wunsch des Arbeitnehmers entsprechender freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen entsprechenden freien Arbeitsplatz zur Erfüllung des Verlängerungsverlangens des Teilzeitbeschäftigten anders zuzuschneiden.
2. Weil es um die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung geht, legt zunächst der Arbeitgeber das Anforderungsprofil fest. Eine gleiche Eignung liegt vor, wenn der Teilzeitbeschäftigte im Vergleich zum Mitbewerber über insgesamt dieselben persönlichen und fachlichen Fähigkeiten, theoretischen und praktischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten verfügt und im bisherigen Berufsleben dieselben Leistungen erbracht hat.
Normenkette
BGB § 611; TzBfG § 9
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 14.01.2011; Aktenzeichen öD 4 Ca 1801 b/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.01.2011 – öD 4 Ca 1801 b/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erhöhung seiner Arbeitszeit von 5,5 Stunden auf 19,75 Stunden wöchentlich sowie – berufungserweiternd – die Feststellung, dass sich der Beklagte mit entsprechender Beschäftigungspflicht seit dem 25.02.2010 in Verzug befindet.
Der am …1947 geborene Kläger nahm am 01.11.2006 bei dem Beklagten eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellter mit einem Stundenumfang von 19,75 Stunden pro Woche auf. Seit dem 01.08.2008 arbeitet er mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 5,5 Stunden im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei dem Beklagten als Schuldnerberater. Der Kläger hat 1970 bis 1973 an der HWP in H. einige Semester Soziologie studiert, verfügt aber über kein abgeschlossenes Studium. Er war mit Unterbrechungen in der Zeit von 1974 bis 1994 als Finanzbuchhalter tätig (Anlage B 2 – 101f d.A.).
Der Kläger bat mehrfach um Aufstockung seiner Arbeitszeit. Zuletzt bat er mit Schreiben vom 25.02.2010 um Aufstockung auf 50 % der Arbeitszeit eines Vollzeit-beschäftigten. Der Beklagte lehnte dieses mit Schreiben vom 08.03.2010 mit dem Hinweis ab, es stehe kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung.
Der Beklagte beschäftigt seit 2009 Frau F. als Praktikantin. Sie verfügt über ein abgeschlossenes Studium der Sozialpädagogik und russische Sprachkenntnisse. Zum 01.05.2010 stellte der Beklagte sie befristet bis zum 31.12.2010 als „Sozialarbeiterin in der Schuldnerberatung” in Vollzeit mit einer Wochenstundenzahl von 39 Stunden ein. Das Arbeitsverhältnis wird mittlerweile über den 31.12.2010 hinaus befristet fortgesetzt. Gemäß dem Anforderungsprofil waren ein abgeschlossenes Studium als Sozialpädagoge sowie russische Sprachkenntnisse für die Besetzung dieses Arbeitsplatzes erforderlich. Ziel des Beklagten war es, mit dieser Stelle eine Schnittstelle zwischen Migrationsberatung und Schuldnerberatung zu schaffen und so nicht nur an den Symptomen, sondern vorrangig an den Ursachen der Verschuldungen anzusetzen.
Mit dem vorliegenden Verfahren versucht der Kläger durchzusetzen, dass der Beklagte im Rahmen der Besetzung der o. g. Stelle seinen geäußerten Aufstockungswunsch habe vorrangig berücksichtigen müssen. Mit Schriftsatz vom 12.10.2010 hat der Kläger erstmals erklärt, er sei auch bereit, in Vollzeit zu arbeiten (Bl. 11 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt war die Stelle schon besetzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die Voraussetzungen des § 9 TzBfG nicht als erfüllt angesehen hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe der Entscheidung vom 14.01.2011 verwiesen.
Gegen dieses dem Kläger am 25.01.2011 zugestellte Urteil hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch innerhalb der verlängerten Berufungsbe-gründungsfrist begründet.
Er ist nach wie vor der Ansicht, der Beklagte habe bei der Besetzung des Arbeitsplatzes mit Frau F. seinen Aufstockungswunsch vorrangig berücksichtigen müssen. Zwischen ihm und Frau F. bestehe kein Qualifikationsunterschied, beide seien als Schuldnerberater tätig, russische Sprachkenntnisse seien für die Tätigkeit von Frau F. nicht erforderlich, der Beklagte habe die Vollzeitstelle teilen können und müssen. Der Großteil der zu beratenden Personen weise keinen Migrationshintergrund auf; die Existenz einer Schnittstelle zur Migration sei nicht ersichtlich. Der Antrag auf Feststellung, dass sich der Beklagte seit dem 25.02.2010 in Verzug befinde, sei im Hinblick auf noch gesondert zu berechnende Schadensersatzansprüche geboten.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.01.2011 zum Az.: öD 4 Ca 1801b/10
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Schuldnerberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,75 Stunden zu beschäftigen,
- festzustellen, dass sic...