Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdachtskündigung. Anklageerhebung

 

Leitsatz (redaktionell)

Aus der Tatsache der Eröffnung des Hauptverfahrens im Strafverfahren folgt i.d.R., dass auch ein verständiger Arbeitgeber vom Vorliegen eines dringenden Tatverdachts ausgehen und bei einem Bezug zum Arbeitsverhältnis eine arbeitsrechtliche Verdachtskündigung aussprechen darf. Der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet sein, in seinen Bewertungen kritischer und zurückhaltender als die Strafermittlungsbehörden zu sein.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 06.11.2003; Aktenzeichen ö.D. 1 Ca 1871 d/03)

 

Tenor

I) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Kiel vom 06.11.2003 – öD 1 Ca 1871 d/03 – abgeändert: Die Klage wird abgewiesen

II) Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten erster Instanz trägt der Kläger.

III) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung mit sozialer Auslauffrist. Im Raum steht der Verdacht der Vorteilsannahme.

Der Kläger ist am …1952 geboren und seit dem 05.12.1977, mithin seit 26 Jahren, bei der Beklagten bzw. deren Vorgängerin als technischer Angestellter beschäftigt. Er erhielt zuletzt rund 4.750,00 Euro brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger ist aufgrund seines Lebensalters und seiner Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar.

Der Kläger ist Dipl.-Ing./Architekt für Bauwesen. Im streitbefangenen Zeitraum war er im Landesbauamt … u. a. für die Betreuung von Hochbaumaßnahmen im Bereich der Kliniken der C. zuständig.

Seit 1998/1999 führten die Strafverfolgungsbehörden des Landes Schleswig-Holstein umfangreiche Ermittlungen gegen eine Vielzahl von Personen, auch Mitarbeitern des Landesbauamtes, wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, der Bestechlichkeit etc. durch. Auch gegen den Kläger liefen Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, der Untreue und der Steuerhinterziehung. Am 10.12.2002 wurde gegen ihn Anklage erhoben. In der Anklageschrift wurde dem Kläger von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel vorgeworfen, durch insgesamt 65 selbständige Handlungen die Straftatbestände der Vorteilsnahme (§ 331 StGB), der Bestechlichkeit (§ 332 StGB), der Untreue (§ 266 StGB) sowie der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) verwirklicht zu haben. Vor dem Amtsgericht Kiel wurde alsbald das Hauptverfahren eröffnet (… Ds … Js …/99 (…/02). Die Beklagte erhielt unter dem 24.02.2003 Akteneinsicht in zwei Bände Strafakten sowie zwei Umzugskartons Beiakten, hörte sodann den Kläger am 03.03.2003 zu den Vorwürfen an und ersuchte unter dem 10.03.2003 schließlich in Auswertung der Unterlagen aus dem Strafverfahren sowie der Angaben des Klägers anlässlich der Anhörung nebst von ihm nachgereichter Unterlagen den örtlichen Personalrat um Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung. Nachdem dieser die Zustimmung am 14.03.2003 verweigerte, leitete die Beklagte umgehend das erforderliche Stufenverfahren ein und rief letztendlich am 26.03.2003 nach Versagung der Zustimmung des Personalrates vom 25.03.2003 die Einigungsstelle an. Dort stimmte der Personalrat am 18.06.2003 vergleichsweise dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2003 zu. Die Beklagte sprach sodann am 20.06.2003 die streitbefangene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2003 aus.

Vorgeworfen werden dem Kläger im Zusammenhang mit dieser Kündigung (Bl. 10 bis 13 d. A.) unter Bezugnahme auf die Anklageschrift sowie die Ermittlungsakten zwei Vorfälle:

1) Die Bestellung und Annahme von zwei Faltschiebetoren Ende 1996/Anfang 1997 von der Firma M. … GmbH im Wert von mindestens 16.860,60 DM, ohne dass die Firma dem Kläger diese Lieferung, die der Kläger unstreitig an Herrn N. W. weiterleitete, in Rechnung stellte.

Zu dieser Zeit bestanden dienstliche Kontakte der Fa. M. zum Landesbauamt. Herr W. erhielt erstmals im Januar 2001 eine Rechnung. Zu diesem Zeitpunkt liefen schon die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Es waren auch schon Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. Es existiert eine Aussage des Prokuristen B. der Fa M. vom 25.9.2001, wonach dieser dachte, dass die Tore für den Kläger sind. Die Firma M. verbuchte die Kosten der Tore auf ein „Bauvorhaben Bü.”. Herr B. erklärte in dieser Aussage: „Der war beim Landesbauamt. … Nicht, dass er uns noch irgendwann rausschmeißt da, und wir kriegen keine Ausschreibung mehr. … (Bl. 162 d. A.) Da wollte ich seine Gunst und die Gunst des Landesbauamtes eben behalten …” (Bl. 166 d. A.)

2) Zweiter Vorwurf ist die Annahme von Fliesen und Hilfsmaterialien von der Fa. R. im April 1995 im Gesamtwert von 1.932,16 DM für den Ausbau des Privathauses, ohne dass ihm hierfür eine Rechnung erstellt wurde und ohne dass der Kläger hierfür Geld bezahlte.

Zu diesem Zeitpunkt bestanden dienstliche Kontakte der Fa. R. zum Landesbauamt. Im Zusa...

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