Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Berufungsbegründungsfrist. Verdachtskündigung. Vorteilsannahme. Bestechung. Öffentlicher Dienst. Kündigungserklärungsfrist. Hemmung der Kündigungserklärungsfrist durch Ermittlungen des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Lässt sich ein Arbeitnehmer, der für Überwachung von Bauarbeiten, Führung der Bücher und Prüfung der Rechnungen von Bauvorhaben zuständig ist, gleichzeitig von einem beauftragten Unternehmer in seinem Privathaus Arbeiten durchführen, für die er keine Rechnung vorweisen kann, so ist dieser Umstand geeignet, den Verdacht der Vorteilsnahme oder Bestechung zu begründen.
2. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis über den Sachverhalt vermitteln.
Normenkette
BGB § 626; BAT § 54
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 21.08.2002; Aktenzeichen 4 Ca 2265 e/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.8.2002 – 4 Ca 2265 e/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 18.07.2001.
Der Kläger ist im … 1945 geboren und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60%. Er war seit dem 27.09.1982 zunächst beim L. und nach Übernahme des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte, bei dieser als technischer Angestellter eingestellt. Dabei war er unter anderem für die Bauüberwachung der Arbeiten im Sportforum der Universität, sowie für die Führung der Bücher und Prüfung der Rechnungen zuständig.
Im Jahr 2000 leitete die Staatsanwaltschaft… gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Vorteilsannahme, des Betruges und der Untreue ein. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurden am 13.07.2000 der Arbeitsplatz des Klägers und seine Wohnung durchsucht. Am 20.04.2001 wurde Anklage erhoben.
Die Staatsanwaltschaft übersandte nach Anklagerhebung eine Abschrift am 04.05.2001 an die Beklagte. Nachdem diese ermittelt hatte, wo sich die Ermittlungsakte befand, erbat sie am 15.05.2001 Akteneinsicht. Die Akten gingen bei der Beklagten am 11.06.2001 ein. Die Beklagte hörte den Kläger am 12.06.2001 zu den Vorwürfen an. Nachdem dieser den Verdacht aus Sicht der Beklagten nicht ausräumen konnte, beantragte sie am 14.06.2001 die Zustimmung des Personalrates, der Schwerbehindertenvertretung sowie der Fürsorgestelle der L. zur beabsichtigten Kündigung. Die Zustimmung der Fürsorgestelle ging der Beklagten am 28.06.2001 zu. Der Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung verweigerten ihre Zustimmung erstmalig mit dem Schreiben vom 21.06.2001. Unter Auseinandersetzung mit den ablehnenden Gründen der Entscheidung des Personalrates, beantragte die Beklagte mit Schreiben vom 22.06.2001 ein zweites Mal die Zustimmung, die erneut verweigert wurde. Die Beklagte rief daraufhin die Einigungstelle an, die mit Beschluss vom 17.07.2001 der Kündigung zustimmte. Am darauffolgenden Tag, dem 18.07.2001, sprach die Beklagte die außerordentliche Verdachtskündigung aus.
Das Ermittlungsverfahren beruhte auf folgendem Sachverhalt: Für den Kläger wurde auf seinem Privatgrundstück von der Firma V. in der Zeit vom 23.07. bis 06.08.1996 eine Wasserzapfanlage eingebaut. Eine Rechnung über diese Arbeiten konnten weder vom Kläger noch von der Firma V. vorgelegt werden. Im Rahmen des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht reichte der Kläger am 13.08.2001 das undatierte Original einer Quittung über 1.050,00 DM ein. Diese wurde für „Beseitigung einer Undichtigkeit und einer Gartenzapfstelle” ausgestellt und mit dem Namen „V.” unterschrieben. Die Quittung wurde vom Bundeskriminalamt untersucht, ohne das sich daraus genauere Erkenntnisse über den Erstellungszeitpunkt ergaben. In zeitlichem Zusammenhang zu den Arbeiten auf dem Grundstück des Klägers war dieser auch für die Beaufsichtigung und Abrechnung eines Zeitauftrages vom 12.08.1996 verantwortlich, den die Firma V. im Rahmen der Arbeiten am Sportforum der Universität K. für die Beklagte ausführte. Die Abrechnung dieser Arbeiten gegenüber der Beklagten in Höhe von 9.375,49 DM erfolgte unter der Rechnungsnummer 14719. Auf dem Arbeitszettel der Firma V. über die Lieferung und den Einbau der Wasserzapfanlage auf dem Privatgrundstück des Klägers, ist unter anderem genau diese Nummer vermerkt.
Im Strafverfahren wurde der Kläger am 07.06.2002 zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hat hiergegen noch am gleichen Tag Berufung eingelegt. Eine Entscheidung über diese steht noch aus.
Hinsichtlich des weiteren arbeitsrechtlichen Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Inhaltes der angefochtenen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichtes Kiel vom 21.08.2002 verwiesen, das dem Kläger am 29.8.2002 zugestellt worden ist, und gegen das er rechtzeitig Berufung eingelegt hat. Die Berufungsbegründung hat...