Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 17.03.2004; Aktenzeichen 1 M 4091/03) |
Tenor
- Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners werden der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 17.3.2004 und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 10.9.2003 dahingehend abgeändert, dass dem Schuldner monatlich ein Betrag von 761,25 € pfandfrei zu belassen ist.
- Im übrigen wird die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.
- Das Prozesskostenhilfegesuch der Gläubigerin vom 13.12.2004 und das Prozesskostenhilfegesuch des Schuldners vom 23.3.2004 werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner 83 %, die Gläubigerin 17 %.
Beschwerdewert: bis 2.500 €
Gründe
Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 10.9.2003 wegen eines Unterhaltsanspruchs in Höhe von insgesamt 5.787 € zuzüglich laufender Kindes- und Trennungsunterhalt die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen. Gleichzeitig hat es ausgesprochen, dass dem Schuldner nach § 850d ZPO monatlich netto 730 € pfandfrei verbleiben müssen. Mit Schreiben vom 16.1.2004 hat der Schuldner unter Vorlage einer Sozialhilfebedarfsberechnung – gestützt auf § 850 f Abs. I ZPO – beantragt, in Abänderung des genannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einen Betrag von monatlich 914,70 € pfandfrei zu belassen.
Mit Beschluss vom 17.3.2004 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen, wobei es einen Sozialhilfebedarf des Schuldners von 730,40 € errechnet hat.
Gegen diese dem Schuldner am 19.3.2004 zugestellte Entscheidung hat die Schuldnervertreterin mit Telefax vom 23.3.2004 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 6.4.2004 nicht abgeholfen hat.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 793 ZPO statthaft, rechtzeitig eingelegt und mithin zulässig.
In der Sache hat es teilweise Erfolg.
1. Über die von dem Amtsgericht in Ansatz gebrachten Beträge hinaus ist ein Mehraufwand wegen der Erwerbstätigkeit des Schuldners zu berücksichtigen.
Die berufliche Tätigkeit des Schuldners verursacht besondere Bedürfnisse, zu deren Deckung ein weiterer Einkommensteil pfandfrei belassen werden muss.
§ 82 Abs. 3 SGB XII setzt diesen Mehrbedarf pauschal mit 30 % des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit des Hilfebedürftigen an.
Ob im Rahmen der Entscheidung, welcher Betrag einem Schuldner pfandfrei zu belassen ist, der Mehraufwand wegen einer ausgeübten Erwerbstätigkeit pauschal in Ansatz gebracht werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Nach einer Auffassung müsse der Mehraufwand in jedem Fall dargelegt und notwendigenfalls nachgewiesen werden. Soweit die sozialhilferechtlichen Bestimmungen eine am Einkommen eines Arbeitnehmers orientierte Pauschale für angemessen hielten, möge dies die Motivation eines Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung ansprechen und im Sozialhilferecht seine Bedeutung haben. Doch könne dieser, der öffentlichen Fürsorge zuzuordnende Gedanke nicht zum Nachteil von Pfändungs gläubigern in das Zwangsvollstreckungsverfahren übernommen werden (LG Stuttgart [2. Zivilkammer] Rpfleger 90, 173).
Überwiegend wurde die Ablehnung eines Pauschalbetrags allerdings damit begründet, dass die Verlagerung des Mehrbedarfszuschlags für Erwerbstätige nach § 76 Abs. 2a Nr. 1 BSHG zur Folge habe, dass die Regelung im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht mehr zu beachten sei, da die alte Fassung des § 850 f ZPO nur auf Abschnitt 2 des Bundessozialhilfegesetzes verwiesen habe (KG, FamRZ 94, 1047; OLG Köln, Jur Büro 99, 606; OLG Celle, OLGR Celle 1999, 78-79). Diese Rechtsprechung ist vor dem Hintergrund der Änderung dieser Bestimmungen nicht mehr relevant. Nunmehr verweist § 850 f Abs. 1a ZPO in der ab 1.1.2005 gültigen Fassung auf das 3. und 11. Kapitel des SGB XII und damit auch auf die nunmehr maßgebliche Bestimmung des § 82 Abs. 3 SGB XII.
Das Gericht hält es daher für geboten, erwerbstätigen Schuldnern – auch ohne konkreten Nachweis – bei der Berechnung des fiktiven Sozialhilfebedarfs einen Pauschalbetrag für den mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Mehraufwand zuzubilligen (so auch OLG Frankfurt, Rpfleger 2001, 38; OLG Karlsruhe, FamRZ 2000, 365; AG Stuttgart, Rpfleger 96, 360; LG Stuttgart [10. Zivilkammer], Beschluss vom 9.2.2005, 10 T 520/04; Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rdnr. 1176e).
Der Mehrbedarf für Erwerbstätige zählt zum sozialhilferechtlichen Mindestbedarf (BVerfGE 87, 153 = NJW 92, 3153). Zweck der Regelung in § 850 f Abs. 1a ZPO ist es, dem Schuldner ein Minimum seiner Einkünfte zur Bestreitung eines bescheidenen Lebensunterhalts zu gewährleisten, andererseits aber auch, zu vermeiden, dass ein Schuldner durch die Zwangsvollstreckung sozialhilfebedürftig wird und damit zu verhindern, dass private Schulden auf Kosten de...