Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten. Sozialwidrigkeit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 SGB 2. Feststellungswirkung eines Bescheides über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verhalten, das die Voraussetzungen für die Minderung eines Leistungsanspruchs nach § 31 SGB II erfüllt, kann, muss aber nicht ein sozialwidriges Verhalten iS des § 34 SGB II darstellen.
2. Ein Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I wegen des Eintritts einer (weiteren) Sperrzeit entfaltet im Rahmen der Prüfung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten nach § 34 SGB II keine Feststellungswirkung.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Umstritten ist ein Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten nach § 34 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der 1979 geborene, ledige Kläger war bis Februar 2014 versicherungspflichtig beschäftigt und seit dem 1. März 2014 arbeitslos. Die Agentur für Arbeit… bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2014 bis zum 30. Oktober 2014 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 23,00 € nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (SGB III). Durch Bescheid vom 11. August 2014 stellte die Agentur für Arbeit ... fest, dass eine Sperrzeit von zwei Wochen eingetreten und sein Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen ist, und hob die Entscheidung über Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 22. Juli 2014 auf.
Bereits am 28. Juli 2014 hatte der Kläger bei dem Beklagten vorgesprochen und geltend gemacht, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld sei wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen. Er beantragte bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er gab an, seit der Einstellung der Arbeitslosengeldzahlungen im Mai 2014 und dem endgültigen Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Juli 2014 habe er von seinem Ersparten gelebt und kein sonstiges Einkommen erzielt.
Durch Bescheid vom 23. September 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 607,23 € (Juli 2014), 529,03 € (August und September 2014), 564,22 € (Oktober 2014) und 646,33 € (November und Dezember 2014) und berücksichtigte dabei den Regelsatz in Höhe von monatlich 391,00 € sowie Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 255,33 € (tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung monatlich 295,00 €) und setzte Minderungsbeträge auf Grund von Sanktionen in Höhe von monatlich 39,10 € (Juli 2014), 117,30 € (August und September 2014) und 82,11 € (Oktober 2014) ab. Mit Bescheid vom 24. September 2014 stellte der Beklagte für die Zeit vom 22. Juli 2014 bis zum 21. Oktober 2014 eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs in Höhe von monatlich 117,30 € fest, weil der Kläger seine Hilfebedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt habe, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld auf Grund von insgesamt 21 Wochen Sperrzeit erloschen sei (unter Hinweis auf § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung). Mit Schreiben vom 24. September 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass dieser seine Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt habe und er daher die Leistungen nach dem SGB II einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung nach § 34 Abs. 1 SGB II zu erstatten habe. Er gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.
Nachdem der Kläger am 24. September 2014 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und im Oktober 2014 aus dieser Beschäftigung sein erstes Arbeitsentgelt bezogen hatte, hob der Beklagte durch Bescheid vom 4. Dezember 2014 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom 1. November 2014 bis zum 30. November 2014 ganz auf. Wegen des im Oktober 2014 zugeflossenen Erwerbseinkommens hob er außerdem durch Bescheid vom 5. Januar 2015 die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Oktober 2014 bis zum 31. Oktober 2014 teilweise in Höhe von 148,82 € auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Mit diesen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden erklärte sich der Kläger einverstanden.
Zum Schreiben des Beklagten vom 24. September 2014 nahm der Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2014 dahingehend Stellung, dass er bei seiner Vorsprache im September 2014 das ganze Thema angesprochen und gefragt habe, ob er mit Sanktionen zu rechnen habe. Ihm sei vermittelt worden, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Er habe weder grob fahrlässig noch vorsätzlich seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Im Februar 2014 sei er un...