Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zuzahlung. Ermittlung der Belastungsgrenze. Tatbestandsvoraussetzung des § 62 Abs 2 S 5 Nr 2 SGB 5. Tragung der Unterbringungskosten durch den Sozialhilfeträger
Orientierungssatz
Tatbestandsvoraussetzung zur Erfüllung des § 62 Abs 2 S 5 Nr 2 SGB 5 ist die Tragung der Kosten der Unterbringung des Versicherten in einem Heim oder einer anderen Einrichtung durch den Sozialhilfeträger. Der Wortlaut des § 62 Abs 2 S 5 Nr 2 SGB 5 bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen darüber hinaus erforderlich ist, dass Versicherte auch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB 12 oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel SGB 12 beziehen.
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 2. August 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 2. August 2022.
Die 1933 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie bezieht Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nach Pflegegrad 5 und ist seit September 2018 in einem Pflegeheim untergebracht, wofür monatliche Kosten in Höhe von 3.755,96 € (Stand März 2021) anfielen. Diese Kosten wurden durch Leistungen der Pflegekasse gemäß § 43 SGB XI (2.005,00 €), den aus der Altersrente der Klägerin (1.071,27 € brutto, Stand März 2021) zu erbringenden Eigenanteil sowie Leistungen des Landratsamts B in Form von Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) gedeckt.
Auf den im Februar 2021 durch den Betreuer gestellten Antrag der Klägerin, sie von weiteren Zuzahlungen für das Kalenderjahr 2021 zu befreien, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 3. März 2021 die Belastungsgrenze auf der Grundlage der Renteneinkünfte der Klägerin (Altersrente 1.071,27 € x 12 Monate = 12.855,24 €) mit 1% der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt in Höhe von 128,55 € fest. Den dagegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch der Klägerin, die Belastungsgrenze errechne sich nicht aus den tatsächlichen Einkünften, sondern aus dem Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1, da sie Leistungen nach dem 7. Kapitel des SGB XII beziehe, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2021 zurück und führte zur Begründung aus, für Bezieher von „Hilfe zur Pflege“ werde die Belastungsgrenze nur dann nach dem Regelbedarf berechnet, sofern sie auch Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) oder dem 4. Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezögen. Soweit Betroffene, wie die Klägerin, über Einkommen verfügten, das so hoch sei, dass kein Anspruch auf Grundsicherung bestehe, sei eine individuelle Belastungsgrenze anhand des bezogenen Einkommens zu ermitteln.
Mit ihrer am 6. September 2021 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berechne sich die Belastungsgrenze nicht nur dann nach der Regelbedarfsstufe 1, wenn die betroffene Person Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt beziehe (Nr. 1), sondern nach Nr. 2 der Regelung auch dann, wenn die Kosten der Unterbringung in einem Heim von der Sozialhilfe getragen würden, was bei ihr der Fall sei.
Die Beklagte trat der Klage mit der Begründung entgegen, von § 62 Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 SGB V würden nur Versicherte erfasst, die in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung tatsächlich untergebracht seien und die Kosten der Unterbringung tatsächlich von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen würden. Versicherte, die, wie die Klägerin, lediglich Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII bezögen und denen nur ein Taschengeldbetrag verbleibe, müssten den Leistungsbeziehern nach §§ 27 ff. SGB XII nicht gleichgestellt werden.
Mit Urteil vom 2. August 2022 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. März 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2021, die für die Erteilung der Befreiung zu leistende Zuzahlung für das Jahr 2021 auf 53,52 € festzusetzen und führte zur Begründung aus, die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt seien nach dem Regelbedarf zu bemessen. Zwar erhalte die Klägerin im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 SGB V nicht die dort genannte Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, jedoch unterfalle die Klägerin der Regelung des § 62 Abs. 2 Satz 5 Nr. 2 SGB V, da sie tatsächlich in einem Heim untergebracht sei und die Kosten der Unterbringung (auch) von einem Träger der Sozialhilfe getragen würden. Die vom Landkreis nach Anrechnung des Renteneinkommens (abzüglich des Barbetrages) geleistete Hilfe zur Pflege ...