Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. arbeitsvertragswidriges Verhalten. Entzug der Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers wegen Rotlichtverstoß. grobe Fahrlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Rotlichtverstoß eines Berufskraftfahrers, der zum Entzug der Fahrerlaubnis und zum Verlust des Arbeitsplatzes durch arbeitgeberseitige Kündigung führt, weil ihn dieser nicht mehr beschäftigen kann, begründet grundsätzlich grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers hinsichtlich der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit und kann zum Eintritt einer Sperrzeit führen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Oktober 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 17.03.2011 bis 08.06.2011 streitig.
Der am … 1966 geborene Kläger, der im Jahr 2007 eine von der Beklagten geförderte Fortbildungsmaßnahme zum Berufskraftfahrer absolviert hatte, stand ab dem 01.06.2008 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Kraftfahrer bei der Firma F. Dienstleistungen GmbH (Arbeitgeber).
Am 22.11.2010 fuhr der Kläger mit einem LKW in S. auf der Mittleren F. Straße in Richtung B. bei der Kreuzung Mittlere F .Straße/B. Straße/R. Straße in den Kreuzungsbereich ein, obwohl die Ampel für seine Fahrspur “Rot„ zeigte. Im Kreuzungsbereich kollidierte er mit einem von rechts kommenden Fahrzeug.
Im anschließenden Strafverfahren (Az: 20 Cs 72 Js 2324/11) erließ das Amtsgericht (AG) Stuttgart am 01.02.2011 gegen den Kläger einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der fahrlässigen Körperverletzung gemäß §§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 a, Abs. 3 Nr. 2, 223 Abs. 1, 229, 230 Abs. 1, 52, 69, 69a StGB). Gegen den Kläger wurde eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verhängt. Ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Kläger für die Dauer von sechs Monaten eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Nachdem der Kläger gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, wurde ihm mit Beschluss vom 08.03.2011 des AG Stuttgart gemäß § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen und, dem Beschluss entsprechend, seine Fahrerlaubnis am 14.03.2011 von der Polizei beschlagnahmt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem AG Stuttgart vom 05.04.2011 räumte der Kläger ausweislich des Protokolls den Rotlichtverstoß ein. Er beschränkte seinen Einspruch auf die Höhe der Tagessätze. Mit Urteil vom 05.04.2011 setzte das AG Stuttgart unter sonstiger Aufrechterhaltung des Strafbefehls die Tagessatzhöhe auf 30,-- € fest.
Mit Schreiben vom 16.03.2011 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos. Auf dem Kündigungsschreiben bestätigte der Kläger schriftlich, die Kündigung am 16.03.2011 erhalten zu haben und mit ihr einverstanden zu sein.
Am 17.03.2011 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos mit Wirkung zum 17.3.2011 und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld .
Mit Bescheid vom 22.03.2011 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 17.03.2011 bis 08.06.2011 fest. Die Entscheidung beruhe auf §§ 144, 128 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Kläger habe wegen des Verlusts des Führerscheins seine Beschäftigung verloren. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei vorhersehbar gewesen, da vorauszusehen gewesen sei, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten nicht dulde.
Mit Bescheid vom 22.03.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 17.03.2011 mit einem Leistungsbetrag von täglich 42,79 €, wobei der Anspruch wegen der Sperrzeit vom 17.03.2011 bis 08.06.2011 ruhe. Mit Änderungsbescheid vom 23.02.2011 setzte die Beklagte die Anspruchsdauer mit 270 Tagen fest. Mit Änderungsbescheid vom 30.03.2011 setzte die Beklagte den Leistungsbetrag auf täglich 42,70 € und die Anspruchsdauer erneut mit 360 Tagen fest.
Mit Schreiben vom 24.03.2011, beim Beklagten am 25.03.2011 eingegangen, erhob der Kläger Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 22.03.2011. Zur Begründung trug er vor, mit der vorläufigen Entziehung sei noch kein Präjudiz geschaffen, dass eine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis erfolge. Zwar sei nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen, dieses rechtfertige jedoch weder den Eintritt einer Sperrzeit noch deren Länge. Zumindest liege eine besondere Härte vor, welche die Halbierung der Sperrzeit rechtfertige.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2011, auf den Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 03.05.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, zu dem Rotlichtverstoß sei es gekommen, weil er an einer Kreuzung die Ampeln für den Verkehr in gerader Richtung und den Linksabbiegerverkehr verwechselt habe. Darüber hinaus sei fraglich,...