Rotlichtverstoß obwohl Haltelinie noch bei Grün überfahren wurde
Ein Autofahrer näherte sich innerorts einer Ampel, die auf Grün stand. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens gelang es ihm nur noch, die vor der Ampelanlage befindliche Haltelinie knapp zu überfahren – um ganze 50 Zentimeter. Danach kam er hinter zwei weiteren Fahrzeugen zum Stehen. Seine Fahrt konnte er erst fortsetzen, als die Ampel auf Rot gesprungen war. Er scherte nach links aus, um an dem ihn an der Weiterfahrt hindernden Fahrzeug vorbeizufahren und überquerte die Kreuzung.
Amtsgericht: Keine privilegierte Kreuzungsräumung
Das Amtsgericht verurteilte den Autofahrer wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes mit Gefährdung anderer zu einer Geldbuße von 250 EUR sowie zu einem Monat Fahrverbot. Gegen das Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein. Er habe keinen Rotlichtverstoß begangen, weil er berechtigter Kreuzungsräumer gewesen sei, so seine Argumentation.
Keine Einfahrt bei stockendem Verkehr
Das Kammergericht Berlin sah das anders. Bereits das Einfahren in die Kreuzung lege einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO nahe:
„Stockt der Verkehr, darf trotz Vorfahrt oder grünem Lichtzeichen nicht in die Kreuzung oder Einmündung eingefahren werden.“
Stillstand schon bei Überfahrt der Haltelinie erkennbar
Die Tatsache, dass der Autofahrer die Haltelinie nur um 50 Zentimeter überfahren hatte, bevor er stehenbleiben musste, lege den Schluss nahe, dass für ihn schon beim Überfahren der Haltelinie erkennbar war, dass er die Kreuzung nicht rechtzeitig während der Grünphase werde passieren können, so das Gericht.
Unabhängig davon habe der Autofahrer das Halteverbot vor der Kreuzung nach § 37 Abs. 2 Satz 7 StVO missachtet und einen Rotlichtverstoß begangen. Gehen das Fahren über die Haltelinie und das Einfahren in den Kreuzungsbereich nicht nahtlos ineinander über, so darf der Kraftfahrzeugführer nach Rotlichtbeginn nicht weiterfahren, wenn er vor dem durch die Flucht- oder Fahrlinien gebildeten Kreuzungsraum aufgehalten wurde.
Gefahrloses Warten bis zur nächsten Grünphase möglich
Genau in dieser Situation habe sich der Autofahrer befunden, so das Kammergericht. Es stehe fest, dass der Autofahrer seine Fahrt fortsetzte, als die Ampel auf Rot gesprungen war und er noch vier Meter vor der Ampelanlage stand. In diesem Bereich hätte er gefahrlos bis zur nächsten Grünphase warten können.
Vorsichtige Weiterfahrt aus Halt im geschützten Kreuzungsbereich
Anders zu beurteilen wäre die Situation gewesen, wenn sich der Autofahrer beim Umschalten der Ampel von Grün auf Rot bereits in dem geschützten Bereich der Kreuzung befunden hätte. In diesem Fall hätte er den Bereich vorsichtig und unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- und Querverkehrs mit Vorrang verlassen können.
(KG Berlin, Beschluss v. 24.01.2022, 3 Ws (B) 354/21)
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