Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. grobe Fahrlässigkeit. Verständigungsschwierigkeiten
Orientierungssatz
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob grobe Fahrlässigkeit iS von § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB 10 vorliegt, ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen.
2. Zwar können sprachliche Verständigungsschwierigkeiten unverschuldete Irrtümer hervorrufen. Jedoch ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass einem Ausländer ein Sorgfaltsverstoß anzulasten sein kann, wenn er in Kenntnis seiner Verständigungsprobleme nicht das erforderliche unternimmt, um das Verständigungsproblem auszuräumen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 09.05.1996 bis 12.02.1997 hat aufgehoben werden dürfen und gezahlte Leistungen von der Klägerin zu erstatten sind, weil Vermögen der Klägerin und ihres Ehemanns -- dem Kläger im Verfahren L 5 AL 3703/00 -- nicht berücksichtigt worden ist.
Die 1950 geborene, aus der Türkei stammende und jedenfalls seit 1973 in Deutschland lebende Klägerin bezog zuletzt vor dem hier interessierenden Zeitraum Arbeitslosengeld (Alg) vom 20.08.1994 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 08.05.1996 in Höhe von zuletzt 189 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 570,-- DM wöchentlich/Leistungsgruppe D/Kindermerkmal 1/Leistungssatz 67 v. H. -- Bescheid vom 10.05.1996). Darauf bezog die Klägerin Alhi und zwar zunächst vom 09.05. bis 29.06.1996 in Höhe von 160,80 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 570,-- DM/Leistungsgruppe D/Kindermerkmal 1/Leistungssatz 57 v. H. -- Bescheid vom 24.04.1996) sowie nach Herabsetzung des Bemessungsentgelts auf 550,-- DM vom 01.07. bis zum 27.08.1996 und -- nach einer Ortsabwesenheit -- vom 12.09. bis 31.12.1996 in Höhe von 156,-- DM wöchentlich (Bescheide vom 05.07.1996 und vom 16.09.1996), danach vom 01.01.1997 bis 30.04.1997 wegen der Leistungsverordnung 1997 in Höhe von 152,40 DM wöchentlich (Bescheid vom 03.01.1997).
Ausweislich der in den Leistungsakten enthaltenen Zahlungsnachweise erhielt die Klägerin danach von der Beklagten im hier streitigen Zeitraum folgende Alhi-Beträge:
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-- vom 09.05.1996 bis 27.08.1996 |
2.506,-- DM |
-- vom 12.09.1996 bis 31.12.1996 |
2.470,-- DM |
-- vom 01.01.1997 bis 30.04.1997 |
2.616,20 DM |
Gesamt: |
7.592,20 DM |
In dem der Alhi-Bewilligung zugrunde liegenden Antragsformular hatte die Klägerin am 18.04.1996 erklärt, weder sie selbst noch ihr Ehemann verfügten über Vermögen. Später ergaben jedoch Feststellungen der Kriminalpolizei V-Sch im Zusammenhang mit einem gegen einen Dritten geführten Ermittlungsverfahren, dass die Klägerin am 05.01.1996 einen Betrag von 100.000,-- DM auf ein Konto in der Türkei eingezahlt hatte. Hiervon erfuhr das AA am 04.03.1997. Dazu gaben die Klägerin und ihr Ehemann ausweislich eines Aktenvermerks bei einem persönlichen Gespräch im Arbeitsamt V-Sch unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin am 19.03.1997 an, der Betrag von 100.000,-- DM sei seit 1983 laufend angespart und um eine erhaltene Abfindung erhöht worden. Am 05.01.1996 sei dieser Betrag in der Türkei in Krankenhausaktien investiert worden, die mit einer Frist von 6 Monaten zum Quartal kündbar seien. Ob derzeit Verluste bei einer Kündigung hinzunehmen seien, sei nicht bekannt. Der Antrag sei falsch ausgefüllt worden, weil sowohl die Klägerin als auch ihr Mann gedacht hätten, es werde nur nach Vermögen im Inland gefragt. Neben dem Betrag von 100.000,-- DM seien noch 30.000,-- DM in Sparbriefen vorhanden, die für ein Auto für den Sohn gedacht gewesen seien. Darüber hinaus sei kein Vermögen vorhanden.
Darauf teilte das AA der Klägerin mit Anhörungsschreiben vom 07.05.1997 mit, sie habe in der Zeit vom 09.05. bis 27.08.1996 und vom 12.09.1996 bis 12.02.1997 Alhi in Höhe von 5.915,80 DM zu Unrecht bezogen, außerdem seien für sie zu Unrecht im Einzelnen vorgerechnete Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt worden (Anhörungsschreiben vom 07.05.1997), und nahm dann in der weiteren Folge mit Bescheid vom 28.08.1997 den "Bescheid vom 24.04.1996" zurück und forderte den genannten Alhi-Betrag zuzüglich eines für Krankenkasse und Pflegeversicherung erbrachten Betrages in Höhe von 2.497,03 DM, insgesamt 8.412,83 DM zurück.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch -- Verwaltungsverfahren -- (SGB X) lägen nicht vor. Sie habe auf den Bestand der Alhi-Gewährung vertraut. Sie sei türkische Staatsangehörige und der deutschen Sprache kaum mächtig. Sie habe in der Türkei Aktien zur Rentensicherung angelegt. Sie habe nicht gewusst, dass sie darüber berichten müsse. Auch habe sie einen Großteil der Fragen im Antragsformular nicht richtig verstanden. Schließlich seien die Alhi-Leistungen verbraucht.
Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Weiterbewilligung von Alhi vom 29.10.1997 gab die Klägerin dann im weiteren an, nunmehr über ein Vermögen von 50.000,-- DM zu verfügen. Ergänzend legte s...