Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Opferentschädigung. Beschädigtenversorgung. höhere Pflegezulage nach Stufe II. keine Erstattung der Prämie und des vereinbarten Selbstbehalts aus der privaten Krankenversicherung. keine Erstattung des Anrechnungsbetrages wegen einer Verletztenrente. entbehrliche Anhörung bei erneuter Anrechnung. Verfassungsmäßigkeit des § 65 BVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflegezulage nach Stufe II gemäß § 35 Abs 1 S 4 BVG.

2. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 18 Abs 3 und 4 BVG setzt voraus, dass die Höhe der Kosten, für die Erstattung begehrt wird, bezogen auf bestimmte medizinische Leistungen konkretisiert wird.

3. Abgesehen von der als Sonderregelung aufzufassenden Bestimmung in § 18 Abs 4 S 3 BVG gibt es nach dem BVG keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen (Zahlung der Prämien, Erstattung des mit der privaten Versicherung vereinbarten Selbstbehalts) für eine private Krankenversicherung (Anschluss an BSG vom 28.1.1975 - 10 RV 63/74 = SozR 3-3100 § 18 Nr 3). Ein Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für eine private Versicherung lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründen (Anschluss an LSG München vom 12.12.2002 - L 18 V 16/01 = SGb 2003, 403).

4. Hat die Versorgungsverwaltung durch bestandskräftig gewordene Bescheide eine Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge angerechnet und ist nach einer Erhöhung der Verletztenrente erneut eine Anrechnung der (höheren) Verletztenrente auf die Versorgungsbezüge erforderlich, so ist vor der erneuten Anrechnung eine Anhörung nach § 24 Abs 2 Nr 5 SGB 10 entbehrlich.

5. Die Ruhensvorschrift des § 65 BVG ist verfassungsgemäß (vgl BSG vom 12.6.2003 - B 9 VG 4/02 R = SozR 4-3100 § 65 Nr 1).

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. November 1998, 22. Februar 1999 und 15. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2000 abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. März 1997 Pflegezulage nach Stufe II zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt der Beklagte ein Drittel.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Der Kläger wurde am 30.07.1996 im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit Opfer einer Straftat. Er wurde von einem Geschäftspartner niedergeschossen und erlitt hierbei schwere Verletzungen. Der Täter wurde mit Strafurteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Bautzen vom 25.04.1997 - rechtskräftig seit 03.05.1997 - wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Auf den am 10.09.1996 beim Versorgungsamt Stuttgart eingegangenen Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG, der an die örtlich zuständige Versorgungsverwaltung des Freistaates Sachsen abgegeben wurde, erließ der Beklagte den Vorbehaltsbescheid vom 26.11.1997, mit dem Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H., Pflegezulage Stufe I, Schwerstbeschädigtenzulage Stufe II und halbe Ausgleichsrente gewährt wurden.

Dagegen erhob die Ehefrau und Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch mit dem Begehren, dem Kläger eine höhere Pflegezulage, die volle Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Nach weiteren Ermittlungen erging der Bescheid vom 27.11.1998, mit dem der Vorbehaltsbescheid vom 26.11.1997 aufgehoben wurde. Als Folgen einer Schädigung nach dem OEG wurden anerkannt: “Versteifung beider Schultergelenke und linkes Ellenbogengelenk. Bewegungseinschränkung rechtes Ellenbogengelenk und beider Handgelenke und der Fingergelenke. Schädigung des Nervus ulnaris links. Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke. Kraftminderung der Arme und Beine. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. Thoraxstarre mit Lungenfunktionsbeeinträchtigung. Verhärtung und Atrophie der Haut am oberen Brustkorb. Multiple Narben an Hals, Brust, Rücken und Armen". Dem Kläger wurde Grundrente nach einer MdE um 100 v.H. ab Juli 1996 gewährt. Außerdem wurde Schwerstbeschädigtenzulage nach Stufe V ab Juli 1996 und ab März 1997 Pflegezulage Stufe I, Ausgleichsrente (halb), Kinderzuschlag sowie ab Juli 1997 Ehegattenzuschlag gewährt. Des weiteren wurde festgestellt, dass Anspruch auf Sonderfürsorge gemäß § 27e BVG ab März 1997 besteht. Zur Begründung wurde ausgeführt, da der Kläger ab dem Tatereignis bis 13.03.1997 ununterbrochen in stationärer Behandlung gewesen sei, stehe ihm ab 01.03.1997 die Pflegezulage Stufe I zu. Weiterhin gelte § 33 Abs. 4 BVG, wonach Empfänger einer Pflegezulage wenigstens die Hälfte der vollen Ausgleichsrente erhielten. Schwerbeschädigte erhielten gemäß § 33a Abs. 1 BVG für den Ehegatten einen Zuschlag, wobei gemäß § 33a BVG Abs. 2 BVG Empfänger einer Pflegezulage den vollen Zuschl...

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