Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Beitragserstattungsverfahrens. Anscheinsbeweis. Schriftwechselkarte
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Altersrente auf Beschäftigungszeiten nach dem Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) gestützt, so begründet das Vorhandensein einer sog Schriftwechselkarte der Beklagten, die an die Stelle der vernichteten alten Versicherungskarte trat und aus der sich eine erfolgte Beitragserstattung ergibt, den Anscheinsbeweis dafür, dass ein Erstattungsbescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung einer Altersrente.
Die Klägerin ist die nicht in einem Verwandtschaftsverhältnis stehende Erbin der 2008 verstorbenen E. D. (geborene K. 1905). Letztere arbeitete ab dem 01.01.1930 bis 1938 beim S. und im Jahr 1939 als Bibliothekarin bei der V. in H. 1939 heiratete sie den Beamten R. D. und bezog seit dessen Tod 1948 eine Hinterbliebenenpension. Weiterhin erhielt sie für Kindererziehungsleistungen von der Beklagten seit 1984 einen Zahlbetrag von zuletzt 26,27 €. In den Sechziger Jahren war die Verstorbene stundenweise als Katechetin für das Erzbistum/die Diözese tätig.
Unter Vorlage einer Vorsorgevollmacht vom 03.04.2007 wandte sich die Klägerin am 04.10.2007 an die Beklagte, um zu klären, ob aus der Zeit seit dem 18. Lebensjahr der Verstorbenen bis mindestens 1939 nicht Rentenansprüche aus eigener Versicherung resultierten. Zusammen mit dem Sohn der Verstorbenen, Dr. U. D., trug die Klägerin vor, die Verstorbene sei 1929 bzw. ab dem 01.01.1930 als Kontoristin beim S. in S. tätig gewesen und anschließend als Leiterin der V. in H. bis 1939. Auf die beigefügten Unterlagen (Bl. 12 ff. der Verwaltungsakte) wird verwiesen. Am 20.02.2008 stellte die Klägerin im Namen von Frau E. D. einen Antrag auf Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres.
Nachdem die Beklagte Ermittlungen zum Vorliegen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse im streitigen Zeitraum durchgeführt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 16.05.2008 die Gewährung einer Rente ab, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Diese betrage 60 Kalendermonate, von denen Frau D. nur elf Monate aufweise (Beschäftigung bei der V. H.). Die Zeit vom 01.01.1922 bis zum 07.11.1938 könne nicht als Beitragszeit anerkannt werden, weil weder in den vorhandenen Versicherungsunterlagen Beiträge bescheinigt seien, noch die Beitragszahlung nach dem Ergebnis der Ermittlungen glaubhaft erscheine und Beiträge auch nicht als gezahlt gelten. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2008 zurück. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.12.2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben mit der Begründung, Frau D. sei 1930 bis 1939 beim R. B., anschließend von Januar bis November 1939 bei der Stadt H. beschäftigt gewesen und 1958 bis 1962/64 als Religionslehrerin/Katholische Katechetin in T. Hierzu hat die Klägerin Unterlagen der D. R. vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird (Bl. 55 ff. der SG-Akte).
Die Beklagte hat vorgetragen, Versicherungsunterlagen hätten trotz eingehender Nachforschungen nicht ermittelt werden können. In Bezug auf die Beschäftigung beim S. sei kein Nachweis für eine tatsächliche Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung vorgelegt worden. Gleiches gelte für die Tätigkeit als Katechetin, die erstmals im Klageverfahren geltend gemacht worden sei. Im Übrigen habe ab der Heirat mit einem Verwaltungsbeamten Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden, sodass für diese Tätigkeit auch keine Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten gewesen seien.
Mit Urteil vom 16.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung hätten Versicherte Anspruch auf Regelaltersrente, wenn das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt sei. Seit dem 01.01.2008 betrage die Altersgrenze 67 Jahre. Eine Wartezeiterfüllung liege vor, wenn eine Wartezeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt worden sei. Hieran fehle es, da es im Herbst/Winter 1939/1940 zu einer Beitragserstattung von zuvor abgeführten Beitragszeiten an die Verstorbene gekommen sei. Aus den seinerzeit zurückgelegten Rentenversicherungszeiten könnten daher in den Jahren 2007 und danach keine Ansprüche gegen die Beklagte mehr hergeleitet werden. Die Beitragserstattung ergebe sich aus dem Beweis des ersten Anscheins, der zulässig und gegeben sei, wenn ein feststehender Lebenssachverhalt typischerweise bestimmte Folgen auslöse, ohne dass eine atypische Situation nachzuweisen sei, die die Grundlagen für den Anscheinsbeweis erschüttern könne. Typischerweise sei...