Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Ende des Verletztengeldanspruchs gem § 46 Abs 3 S 2 Nr 3 SGB 7. Voraussetzung: Arbeitsunfähigkeitsprognose für die nächsten 78 Wochen sowie kein Übergangsgeld auslösender Anspruch auf berufsfördernde Leistungen bzw auf qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. gesetzessystematische Auslegung mittels der Zusammenschau von § 45 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 7 und § 46 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 7

 

Leitsatz (amtlich)

Unter § 46 Abs 3 Satz 2 SGB VII (Ende des Verletztengeldanspruchs) fallen nur qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die einen Übergangsgeldanspruch auslösen.

 

Normenkette

SGB VII § 45 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, § 33 Abs. 3 Nrn. 1, 3-5, Abs. 4 S. 1, Abs. 7, § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 35 Abs. 1 S. 1, § 49; SGB I § 39 Abs. 1 S. 2; SGB IX § 33 Abs. 1; SGB X § 35 Abs. 1 S. 3, Abs. 2; SGG § 54 Abs. 2 Sätze 1-2; BRTV § 5 Nr. 3

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind die Einstellung der Verletztengeldzahlung und die Gewährung von qualifizierten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.

Der 1967 in Griechenland geborene Kläger erlernte nach seinen eigenen Angaben den Beruf eines Kochs. Im Jahr 1988 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über und arbeitete in verschiedenen Branchen (u.a. Metallarbeiter und Sachbearbeiter). Zeitweise war er im Gastronomiebereich selbstständig tätig.

Von Januar 1992 bis September 1995 war er als “Baufachwerker„ bei der Firma A. B. GmbH & Co KG in C. beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählten Schal-, Beton- und Maurerarbeiten (unter Anleitung; Zeugnis vom “24. Oktober […]„, Bl. 33 der SG-Akte S 11 U 1501/13). Im Jahr 2005 absolvierte der Kläger in Griechenland eine Ausbildung zum “Gewächshaustechniker„ mit einer Gesamtstundenzahl von 700 Stunden (Bescheinigung der “Berufsausbildung AG„ in O. vom 23.08.2005, Bl. 34 der SG-Akte S 11 U 1501/13). Vom 02.11.2010 bis 13.01.2012 war er bei dem Bauunternehmen D.-E. GmbH in St. als “Facharbeiter„ beschäftigt. Laut Tätigkeitsprofil vom 10.05.2011 (Bl. 42 VA) zählte zu den Tätigkeiten des Klägers das Mauern, Schalen, Bewehren, Betonieren, Aufräumen und sonstige Aufgaben, wie zum Beispiel die Montage von Material. Laut Arbeitsvertrag vom 29.10.2010 (im Folgenden: AV) war der Kläger als “Facharbeiter„ angestellt (§ 2 AV). Er wurde in die Lohngruppe 2 eingruppiert und erhielt einen Stundenlohn von 12,95 € brutto (§ 3 AV; vgl. Bl. 29 ff. der SG-Akte, S 11 U 1501/13). Das Arbeitsverhältnis endete zum 13.01.2012 wegen der Insolvenz des Arbeitgebers aus betrieblichen Gründen.

Bereits am 15.11.2000 erlitt der Kläger einen von der damals zuständigen Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten anerkannten Arbeitsunfall, bei dem er sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit epiduralem Hämatom rechts zuzog. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden eine leichte Merkfähigkeitsstörung sowie zeitweise Cephalgien anerkannt, die Gewährung einer Rente wurde jedoch nach Einholung des neurochirurgischen Gutachtens des Dr. F. vom 27.05.2002 (keine Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE]) abgelehnt (Bescheid vom 02.08.2002).

Am 09.02.2011 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige der D.-E. GmbH ein, wonach der Kläger am 31.01.2011 um 11.22 Uhr beim Übergang von einer Brüstung auf eine Leiter, deren Standfläche verrutscht sei, in Richtung des Gebäudes abgestürzt sei (Höhe ca. 1,30 m).

Laut Durchgangsarztbericht des Dr. G. vom 31.01.2011 zog sich der Kläger durch den Sturz eine laterale Claviculafraktur sowie eine Prellung der linken Körperhälfte zu. Die Fraktur wurde am 01.02.2011 operativ versorgt. Im weiteren Verlauf kam es zu einer verzögerten Knochenbruchheilung mit Wundinfektion und Plattenlockerung, sodass im April 2011 eine Revisionsoperation im Krankenhaus Ü. durchgeführt wurde.

Die behandelnde Nervenärztin H. gab in ihrem Befundbericht vom 17.05.2011 an, der Kläger leide an einer generalisierten Angststörung und an einem schädlichen Gebrauch von Alkohol. Bereits nach dem Unfall mit Schädel-Hirn-Trauma im Jahr 2000 habe sich eine Angststörung entwickelt, die sich jedoch in den letzten Jahren wieder deutlich gebessert habe. Durch den jetzt erlebten Unfall hätten sich die Ängste aber wieder verstärkt. Mit Befundbericht vom 05.07.2011 teilte sie mit, der Kläger sei unter Medikation etwas ausgeglichener und habe weniger Angst. Mit Schreiben vom 17.08.2011 teilte Chirurg Dr. I. mit, eine Wiedereingliederung sei ab dem 22.08.2011 geplant, der Kläger sei arbeitsfähig. Die geplante Wiedereingliederung wurde jedoch nach zwei Tagen vom Kläger abgebrochen. Der behandelnde Unfallchirurg Dr. K. (Krankenhaus Ü.) entließ den Kläger am 01.09.2011 aus der ambulanten Behandlung mit einer weiteren voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit von drei Wochen und eine...

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