Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungszeiten nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Erbringung von Arbeitsleistungen von in einer Fürsorgeeinrichtung untergebrachten Jugendlichen
Leitsatz (amtlich)
Eine rentenrechtliche Versicherungszeit für Jugendliche und Heranwachsende, die im Rahmen einer vormundschaftsgerichtlich angeordneten Unterbringung von der Fürsorgeeinrichtung zur Erbringung von Arbeitsleistungen herangezogen worden waren, ist nicht allein daraus zu folgern, dass Geld- und Sachleistungen gewährt wurden. Die Schwierigkeit der Feststellung lange zurückliegender rentenrechtlicher Zeiten ist dem typischen Beweislastrisiko der beweispflichtigen Partei zuzuordnen, denn durch die bestehenden Vermutungs- und Glaubhaftmachungsregelungen sind bereits Beweiserleichterungen normiert. Für ein anderes Ergebnis wäre der Gesetzgeber gefordert.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe 24.02.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, Zeiten des Aufenthalts der Klägerin im Kinderasyl G. als Beitragszeiten im Versicherungsverlauf festzustellen.
Die 1954 geborene Klägerin beantragte am 14.02.2013 bei der Beklagten die Kontenklärung für den Zeitraum 1964 bis 1971 (Blatt 6 der Beklagtenakte), in dem sie im Kinderasyl G. Zwangsarbeit habe leisten müssen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25.02.2013 (Blatt 26 der Beklagtenakte) die rentenrechtliche Feststellung der Zeiten vom 01.01.1964 bis 31.12.1971 ab. Diese Zeit könne nicht als Beitragszeit vorgemerkt werden, weil nach dem seinerzeit geltenden Recht Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung nicht bestanden habe.
Mit ihrem Widerspruch vom 02.04.2013 (Blatt 28 der Beklagtenakte) machte die Klägerin u.a. geltend (Blatt 31/36 der Beklagtenakte), die von ihr geleistete Arbeit sei vor allem in der anstaltsinternen Hauswirtschaft sowie in der anstaltsinternen Schneiderei und Wäscherei erfolgt. Gearbeitet worden sei jeweils sechs bis acht Stunden im Rahmen einer Sechs-Tage-Woche. Die Arbeitsverrichtung sei im Auftrag der Heimerziehung und mit Zustimmung des Amtsvormundes erfolgt, vermutlich als Hilfskraft oder Anzulernende. Es sei nach der damaligen als auch der heutigen Rechtslage definitiv nicht von einer geringfügigen Beschäftigung auszugehen. Der gewerbliche Charakter der verrichteten Tätigkeit ergebe sich für den Heimeinrichtungsträger anstaltsintern aus der Ersparnis von branchenüblichen Personalkosten sowie den Einnahmen für die Personalvermittlung an Fremdbetriebe. Als Gegenleistung seien ihr von Seiten des Heims Kost, Logis, Bekleidung, geringe DM-Beträge und sonstige Gegenstände des täglichen Gebrauchs ausgekehrt worden. Die Höhe der Geldbeträge und die Anzahl sowie die Wertigkeit der Kleidung habe sich nach dem jeweilig geleisteten Arbeitsmaß gerichtet, weshalb von einem vollen Arbeitslohn auszugehen sei. Definitiv auszuschließen sei eine Arbeitstätigkeit aufgrund gesetzlichen Zwangs. Nach Art und Umfang entspreche das faktische Beschäftigungsverhältnis einer Vollzeitbeschäftigung, die grds. rentenbeitragspflichtig und definitiv nicht als erzieherische Maßnahme gewertet werden könne. Der Amtsvormund habe um ihren Einsatz gewusst und durch schlüssiges Verhalten seine ausdrückliche Einwilligung erteilt. Es habe sich nicht lediglich um ein resignierendes Dulden in den Abschluss eines Arbeitsvertrages gehandelt. Im Übrigen komme es auf die Freiwilligkeit gar nicht an. Das faktische Beschäftigungsverhältnis könne sich auf einen Vertragsschluss zwischen dem Träger der Heimeinrichtung und dem die Fürsorgegewalt ausübenden Jugendamt, welchem ihre rechtsgeschäftlichen Belange oblegen hätten, begründet werden. Die Frage, ob innerhalb der Fürsorgeerziehungsmaßnahme die Berechtigung, Personalmangel durch den Einsatz von Erziehungsmündeln zu kompensieren, bestanden hatte, könne zur Ermittlung der Rentenansprüche der faktischen Arbeitnehmer dahinstehen. Entscheidend sei, ob faktisch eine sozialabgabenpflichtige Beschäftigung tatsächlich ausgeübt worden sei. Ob vom Arbeitgeber tatsächlich keine Pflichtbeiträge gezahlt worden seien, wenngleich die Pflicht dazu bestanden hätte und die Arbeitnehmerbeiträge direkt von ihrem Arbeitsentgelt abgezogen worden seien, gelte es zu ermitteln. Zudem seien bei dem Lohn in Gestalt von Sachleistungen als Nettolohn, die Sozialversicherungsbeiträge bereits in Abzug gebracht gewesen. Ebenso sei § 286 Abs. 5 SGB VI zu prüfen. Weiterhin komme § 247 Abs. 2a SGB VI in Betracht.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2013 (Blatt 41 der Beklagtenakte) den Widerspruch zurück. Dem Begehren, die Zeit vom 01.01.1964 bis 01.01.1971 als Beitragszeit zu berücksichtigen, könne nicht entsprochen werden. Die Berücksichtigung von Beitragszeiten für solche Zeiten, in denen Heimkinder ohne ein versicher...