Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Klagefrist. Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Zugangsvermutung. Verlängerung der Dreitagesfrist
Orientierungssatz
Die Dreitagesfrist des § 37 Abs 2 S 1 SGB 10 ist nicht nach Maßgabe des § 64 Abs 3 SGG zu verlängern, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (entgegen BFH vom 14.10.2003 - IX R 68/98 = BFHE 203, 26).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten sind Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum 17. April bis 10. Mai 2007 streitig, vorab jedoch die Zulässigkeit der Klage.
Die Klägerin beantragte am 17. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 7. Mai 2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Vertreten durch ihren Bevollmächtigten legte die Klägerin hiergegen am 11. Mai 2007 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 24. Mai 2007 bewilligte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 11. Mai bis 31. Oktober 2007. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Mai 2007 zurück. Der Widerspruchsbescheid war an den Bevollmächtigten der Klägerin adressiert, enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung und war auf der Rückseite mit dem Vermerk versehen, dass er am 26. September 2007 zur Post gegeben worden ist. Er ging dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28. September 2007 zu.
Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten am 31. Oktober 2007 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Nach gerichtlicher Aufforderung dazu Stellung zu nehmen, ob die Klagefrist gewahrt sei, hat sie vorgetragen, die Klagefrist sei vorliegend eingehalten. Auf den Zugang des Widerspruchsbescheids bei ihrem Bevollmächtigten am 28. September 2007 komme es nicht an. Die für die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) maßgebliche 3-Tages-Frist ende, wenn der letzte Tag ein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag sei, erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Die Klagefrist habe daher am 1. Oktober 2007 begonnen und wegen des Feiertages am 1. November 2007 erst am 2. November 2007 geendet. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Mit Urteil vom 24. April 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig gewesen, da sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben worden sei. Die Klage sei binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben gewesen. Der Widerspruchsbescheid vom 26. September 2007 sei nach dem Abgangsvermerk in der Verwaltungsakte der Beklagten am selben Tag zur Post gegeben worden. Der für die Bekanntgabe maßgebliche dritte Tag nach Abgabe zur Post gem. § 37 Abs. 2 SGB X sei der 29. September 2007, ein Samstag, gewesen. Der dritte Tag nach Aufgabe zur Post verschiebe sich nicht gem. § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den nächsten Werktag. Die Klagefrist endete damit mit Ablauf des 29. Oktober 2007. Die erst am 31. Oktober 2007 erhobene Klage sei mithin verfristet gewesen.
Gegen das dem Bevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 5. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Juni 2008 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Mit Beschluss vom 9. Dezember 2008 - L 2 AS 2674/08 NZB - hat der erkennende Senat die Berufung zugelassen; das Beschwerdeverfahren wurde als Berufungsverfahren fortgesetzt.
Für ihre Auffassung, dass sich der dritte Tag der "Zugangsfiktion" des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X dann, wenn der dritte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag falle, auf den nächstfolgenden Werktag verschiebe, bezieht sich die Klägerin auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 14. Oktober 2003 - III/IV R 68/98. Diese Auffassung des BFH werde inzwischen im gesamten Bereich der Rentenversicherung anerkannt und übernommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2008 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2007 zu verurteilen, ihr vom 17. April bis 10. Mai 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (3 Bände), die Klageakten des SG (S 13 AS 5708/07), die Berufungsakte des Senats (L 2 AS 5718/08) und die beigezogene Akte des Senats (L 2 AS 2674/0...