Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Voraussetzung der vorläufigen Vollziehung eines Schiedsspruchs über Leistungsansprüche einer Einrichtung gegen einen Sozialhilfeträger. Umfang der Begründungspflicht eines Schiedsspruchs
Orientierungssatz
1. Ein Schiedsspruch über die durch den Sozialhilfeträger zu leistende Vergütung für die von Einrichtungen und Diensten erbrachten Leistungen muss wenigstens andeutungsweise das Entscheidungsergebnis erkennen lassen und dazu auch die tragfähigen Tatsachenfeststellungen aufzeigen.
2. Ein Schiedsspruch über die durch den Sozialhilfeträger zu leistende Vergütung für Einrichtungen und Diensten kann nicht schon deshalb für vorläufig vollziehbar erklärt werden, weil der Leistungserbringer ohne die im Schiedsspruch festgesetzte Vergütung ein Defizit erleidet, solange dieses Defizit ihn nicht ernsthaft wirtschaftlich gefährdet.
3. Im Falle eines Widerspruchs gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12 kann zur Beseitigung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ein Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gestellt werden, der sich jedoch gegen den anderen Beteiligten und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten hat.
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII des Landes Berlin vom 25. September 2014 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 37.975,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Schiedsstelle nach § 80 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) des Landes Berlin vom 25. September 2014, mit dem diese die Sachkosten für den Zeitraum vom 31. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 auf 6,50 Euro sowie die Entgeltbestandteile “Ausfallwagnis„ und “Unternehmergewinn„ zusammengefasst und auf einen Wert von 4,7% Aufschlag auf das errechnete Entgelt (Personalkosten und Sachkosten), jeweils für das betreute Einzelwohnen, festgesetzt hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen nicht vor.
Das Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin ist nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu beurteilen. Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Bei dem Beschluss der Schiedsstelle handelt es sich um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt, den die Schiedsstelle als Behörde im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erlassen hat, die Anfechtungsklage ist daher die zutreffende Klageart (vgl. das Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rdnr. 11 m.w N. = SozR 4-3500 § 77 Nr. 1).
Die bereits erhobene Anfechtungsklage des Antragsgegners gegen den Beschluss der Schiedsstelle hat gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet vorliegend, dass die bisherige Vergütung zunächst fortzuzahlen ist. Soll die aufschiebende Wirkung ausgeschaltet werden, ist ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG auf Anordnung der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs beim Landessozialgericht - LSG - notwendig und zulässig (Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 77 Rdnr. 82; Münder in LPK-SGB XII § 77 Rdnr. 16; Flint in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 5. Auflage, § 80 Rdnr. 26).
Ob die sofortige Vollziehung anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzuwägen ist. Dabei liegt hier die sozialhilferechtliche Besonderheit vor, dass die Klage gemäß § 77 Abs. 1 Satz 5 SGG - und analog dieser Vorschrift auch der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung - gegen den anderen Beteiligten und nicht gegen die Schiedsstelle zu richten ist (laut BSG im o.g. Urteil vom 23. Juli 2014, Az. B 8 SO 2/13 R, juris Rdnr.12, eine “prozessual ungewöhnliche sozialhilferechtliche Konstellation sui generis„). Daraus ergeben sich auch Besonderheiten bezüglich des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da dieser normalerweise nur in Betracht kommt, wenn es sich um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung handelt. Auch die Grundsätze für die anderen beiden Alternativen des § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG, nämlich dass, je größer die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind, umso geringer die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse (hier das Vollziehungsinteresse) des Antragstellers zu stellen sind, können hier nicht herangezogen werden, da sich allein aus den Erfolgsaussichten der Klage noch nicht beantworten lässt, welcher der Beteiligten sich - und ggfs. in welcher...