Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. unständige Beschäftigung. Dauerbeschäftigungsverhältnis. verkürzte Anwartschaftszeit. freier Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt. Kameramann
Leitsatz (amtlich)
1. Unständige Beschäftigungen im Sinne des § 27 Abs 3 Nr 1 SGB III liegen nicht vor, wenn sich die übernommenen Tätigkeiten vereinbarungsgemäß in regelmäßigen zeitlichen Abständen wiederholen.
2. Ein Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 138 Abs 1 Nr 1 SGB III ausschließendes Dauerbeschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn weder der Arbeitgeber verpflichtet ist, der Beschäftigten regelmäßige Einsatzzeiten anzubieten, noch diese verpflichtet ist, ihr angebotene Dienste anzunehmen (Anschluss an BSG vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R = BSGE 120, 99-113 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, und BAG vom 16.5.2012 - 5 AZR 268/11 = BAGE 141, 348-359). Die Beschäftigte unterliegt dann an den Tagen zwischen ihren Einsätzen mangels Arbeitsverhältnis keiner Dienstbereitschaft und kann frei über ihre Arbeitskraft entscheiden.
3. § 7 Abs 3 SGB IV betrifft ausschließlich das versicherungs- und beitragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, lässt indes keine Rückschlüsse auf das - ohnehin nur für das Arbeitsförderungsrecht relevante und dort nicht gesondert geregelte - leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis zu.
4. Zum Anspruch auf Arbeitslosengeld einer Kamerafrau, die nicht in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis zu einer Rundfunkanstalt steht (hier bejaht).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Mai 2017 und der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2015 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld für folgende Zeiträume zu gewähren:
23. Februar bis 16. März 2015,
1. bis 13. April 2015,
18. bis 22. Mai 2015,
1. bis 7. Juni 2015,
22. Juni bis 5. Juli 2015,
25. bis 31. Juli 2015,
17. bis 31. August 2015,
15. bis 21. September 2015.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 23. Februar 2015 für die Dauer von 90 Tagen.
Die 1953 geborene Klägerin ist seit 1994 mit Unterbrechungen als Kamerafrau beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) als sog. „freie Mitarbeiterin“ beschäftigt. Ein Rahmenvertrag wurde nicht abgeschlossen. Ebenso wenig gibt es schriftliche Verträge zwischen der Klägerin und dem RBB. Die jeweiligen Aufträge zwischen dem RBB und der Klägerin kamen aufgrund mündlicher Einzelabsprachen zustande. Die Klägerin musste sich hierfür nach eigenen Angaben jeweils beim RBB melden und angeben, ob sie in der ersten oder zweiten Monatshälfte arbeiten wollte. Sie erfuhr jeweils telefonisch zwischen 16 und 17 Uhr, ob sie am darauffolgenden Tag arbeiten würde. Die zeitliche Dauer der Tageseinsätze erstreckte sich nach den Angaben der Klägerin regelmäßig auf mehr als acht Stunden.
Während es beim RBB nach Angaben der Klägerin in den 90iger Jahren 10 EB-Teams (EB = elektronische Berichtserstattung) bestehend aus einem Kameramann/einer Kamerafrau und einem Techniker am Standort Potsdam gab und damals die meisten Mitarbeiter festangestellt waren und es nur wenige freie Mitarbeiter gab, änderte sich dieses Verhältnis nach und nach. Ab ca. 2013 habe es nur noch vier festangestellte und etwa 40 freie Mitarbeiter gegeben. Für die Klägerin galt der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen (TV), der Mindestbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RBB regelt. Die Klägerin erhielt danach u.a. einen Zuschuss im Krankheitsfall und Urlaubsgeld. Wegen der Einzelheiten des TV wird auf die Regelungen des TV verwiesen. Der Urlaub der Klägerin wurde - den Angaben der Klägerin zufolge - immer „genehmigt“. Sie musste lediglich angeben, wann sie Urlaub nehmen wollte.
Eine „Dienstanweisung für den Einsatz freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ (im Folgenden: Dienstanweisung) beim RBB enthielt u.a. folgende Regelungen:
Die Tätigkeit freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist neben der Beschäftigung angestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Erfüllung des Programmauftrags unerlässlich. Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen nur dann verpflichtet werden, wenn dies erforderlich ist, um den Programmauftrag erfüllen zu können, und/oder festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter [des RBB] nicht zur Verfügung stehen.
§ 1 Grundsätze
(1) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen grundsätzlich nur auf der Grundlage von Einzelabreden beschäftigt werden. […]
(2) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, angebotene Aufträge anzunehmen. Die Ablehnung eines Angebots - die keiner Begründung bedarf - darf kein Anlass sein, keine Aufträge mehr anzubieten.
(3) Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, ihre Arbeitskraft in einem bestimmten Umfang [dem RBB] zur Verfügung zu stell...