Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Kurierfahrer. Transportfahrer. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. sozialgerichtliches Verfahren. notwendige Streitgenossenschaft im Statusfeststellungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Scheinselbständigkeit eines Kurierfahrers, der auf der Grundlage eines Rahmenvertrages unter Nutzung eines vorgegebenen Funksystems und seines eigenen Pkw nach entsprechender Vermittlung Pakete und Sachgüter transportierte und hierfür Bruttoentgelte auf der Grundlage der zuvor ermittelten Transportkilometer erhielt.
2. Zur notwendigen Streitgenossenschaft der Kläger im Statusfeststellungsverfahren, wenn nur einer von diesen ein Rechtsmittel einlegt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 1. (nachfolgend nur Kläger) wegen seiner Tätigkeit als Kurierfahrer für die Klägerin zu 2. (nachfolgend nur Klägerin) in der Zeit vom 17. Februar 2016 bis zum 31. Mai 2017.
Die Klägerin, die G GmbH, betrieb und betreibt als Franchiseunternehmen eine GmbH mit Sitz in B mit dem Ziel der Vermittlung von Kurier- und Transportdienstleistungen. Nach der Präambel des im Streitzeitraum mit Kurierfahrern wie auch mit dem Kläger geschlossenen Anschlussvertrags betätigte sie sich als Vermittlungszentrale für Kurierfahrten. Sie habe unter der Marke „G“ ein Dienstleistungssystem für Botenfahrten und Kleintransporte entwickelt und betreibe zu diesem Zweck eine Vermittlungszentrale. Das hierfür entwickelte System sei Gegenstand dieses Vertrages mit dem Ziel, Boten- und Kurierfahrten sowie Kleintransporte als standarisierte Serviceleistung auf dem Bereich des KEP-Markts (Kurier-, Express- und Paketdienste) anzubieten. Sie übermittelte im Streitzeitraum über eine App im Rahmen des Funksystems „T“ Aufträge an Kurierfahrer bzw. Kurierfahrerinnen, die sich in der App über einen zugeteilten Code anmeldeten. Der- oder diejenige, der sich zuerst meldete, erhielt den Auftrag.
Für die Klägerin waren im gegenständlichen Zeitraum ca. 90 Kurierfahrer tätig, die sie sämtlich als selbständig ansah und denen sie jeweils bei Abschluss des Anschlussvertrages als „Vermittlungszentrale“ ein „Handbuch“ als „Nachschlagewerk“ u.a. mit „organisatorischen Tipps, Arbeitsanleitungen“ zur Verfügung stellte. Dieses werde durch regelmäßige Kurierinformationen (Kurier-Ticker) vervollständigt und erweitert. Mitgeteilt wurden in dem Handbuch zunächst als wichtig erachtete Telefonnummern der Klägerin, die Vermittlungszeiten, Hinweise zur Verfügbarkeit der Kurierunternehmer, wonach die regelmäßige Teilnahme am Funkverkehr einen überdurchschnittlichen Umsatz sichere und bei unerwartet vielen Ausfällen mit der Bereitschaft des Kurierunternehmers gerechnet werde, private Angelegenheiten zu verschieben und am Funkverkehr teilzunehmen. Die von der Klägerin verwendete Funkordnung („T“) sei verbindlich, Privat- und Quergespräche unter Kurierfahrern seien untersagt, Verstöße würden zur Vermittlungssperre und Rücksprache mit der Geschäftsleitung führen. Die Funkordnung solle das größtmögliche Maß an Übereinstimmung und Abstimmung auf die Anforderung der Funkzentrale und der Funkteilnehmer ermöglichen. Jeder Funkordnungsteilnehmer habe sich täglich nach seinem letzten Auftrag über darüber bei der Zentrale abzumelden. Die Auftragsvergabe erfolge als erstes an einen am zuständigen Halteplatz - solche waren näher bezeichnet - freistehenden Kurier. Befinde sich kein Kurier am Halteplatz, werde der Auftrag frei ausgerufen. Eine Meldung könne erfolgen, wenn sicherzustellen sei, dass binnen fünf bis fünfzehn Minuten die Abholadresse erreicht werden könne. Meldungen der Kuriere müssten mit der jeweiligen Kuriernummer erfolgen. Der Kurier habe sich mit seiner Funknummer und der voraussichtlichen Abholzeit zu melden und müsse sich den Auftrag in Stichworten notieren bzw. auf ein Bandgerät aufzeichnen. Alle Aufträge würden mit Nennung des Fahrpreises vermittelt. Eine Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags obliege ausschließlich der Zentrale; nur der von der Zentrale beauftragte Kurier sei zur Ausführung dieses Auftrages berechtigt. Hierbei müsse er sich bei Schwierigkeiten oder Rückfragen telefonisch in der Zentrale melden, die Nutzung des Funksystems hierfür sei untersagt. Bei Direktauslieferungen an eine bestimmte Person sei die Lieferung persönlich abzugeben. In jedem Bezirk gebe es verkehrsgünstig gelegene Halteplätze, von wo aus sich jeder freie Kurier melden könne. Verbindlich über das Funksystem mitgeteilte Fahrpreise hätten Bestand. Für die Unterstützung beim Be- oder Entladen würden pauschal Gebühren berechnet. Fahrschecks, bestehend aus dem Original un...