Scheinselbstständigkeit eines Piloten ohne eigenes Flugzeug

Personen, die in einen Betrieb eingegliedert sind und dabei einer Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen, sind abhängig beschäftigt und grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Das LSG Hessen hatte nun über den Erwerbsstatus eines Piloten ohne eigenes Flugzeug zu entscheiden.

Ein Pilot, der über kein eigenes Flugzeug verfügt und dessen Tätigkeit nach Übernahme eines Flugauftrages sich von der eines angestellten Flugzeugführers nicht wesentlich unterscheidet, ist abhängig beschäftigt. Dies entschied der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Rentenversicherung stellt abhängige Beschäftigung fest

Ein Pilot war für ein im Landkreis Waldeck-Frankenberg ansässiges Unternehmen, das Wurstwaren produziert und neben Kraftfahrzeugen auch über ein Flugzeug verfügt, an 6 bis 7 Tagen monatlich als Flugzeugführer tätig. Er wurde mit Tagespauschalen in Höhe von rund 120 Euro vergütet.

Im Rahmen eines Verfahrens auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status stellte die Deutsche Rentenversicherung fest, dass der Pilot bei dem Unternehmen abhängig beschäftigt ist und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung besteht.
Das Unternehmen erhob hiergegen Klage. Der Pilot sei weder in den Betrieb eingegliedert noch unterliege er Weisungen des Unternehmens.

Landessozialgericht bestätigt abhängige Beschäftigung des Piloten

Das Hessische Landessozialgericht gab der Rentenversicherung Recht. Der Pilot sei in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert. Maßgeblich sei insoweit, dass er mit der Beförderung der Beschäftigten unmittelbar dem Erreichen der Geschäftszwecke des Unternehmens diene. Auf eine Tätigkeit in der eigentlichen Betriebsstätte komme es hingegen nicht an.

Der Pilot sei auch verpflichtet gewesen, die erteilten Flugaufträge persönlich durchzuführen und habe dem Weisungsrecht des Unternehmens unterlegen. Soweit ein konkreter Flugauftrag erteilt worden sei, seien die Pflichten des Piloten weitgehend festgelegt gewesen. Ihm habe neben der Vorbereitung und Durchführung des Fluges auch die Nachbereitung und Dokumentation von Flügen oblegen. Dies habe unter anderem die Überprüfung von Luftdruck, Öl und Treibstoff vor sowie das Reinigen und Betanken nach dem jeweiligen Flug umfasst. Zudem sei er für ergänzende Dienstleistungen bei der Betreuung der Fluggäste zuständig gewesen.

Darüber hinaus – so die Darmstädter Richter – sei nicht entscheidend, ob ein Unternehmen sein Direktionsrecht durch Einzelanweisungen während des jeweiligen Auftrags ausübe. Vielmehr genügten vorab getroffene Festlegungen wie vorliegend im abgeschlossenen „Rahmen-Dienstvertrag über freie Mitarbeiter eines Flugzeugführers (Freelance)“. Bei hochspezialisierten Dienstleistungen schieden zudem Weisungen über das Wie der Tätigkeit naturgemäß aus, ohne dass dies für die Statusfeststellung von entscheidender Bedeutung sei.

Der Pilot habe ferner kein unternehmerisches Risiko als typisches Zeichen einer selbstständigen Tätigkeit getragen. Insbesondere habe das Unternehmen das Flugzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Tätigkeit des Piloten sei insoweit nicht anders zu bewerten als die eines Kraftfahrers ohne eigenes Kraftfahrzeug. In beiden Fällen stünden den Beschäftigten keine Betriebsmittel zur Verfügung, um anderweitig am Markt unternehmerisch tätig zu werden.

Aufgrund der Kosten für fliegerärztliche Bescheinigungen und flugrechtliche Erlaubnisse sei auch kein unternehmerisches Risiko anzunehmen. Denn diese Kosten müsse der Pilot in jedem Fall aufwenden, um seinen Beruf – ob als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger – ausüben zu können.

Hinweis: Hessisches LSG, Urteil v. 3.11.2022, L 8 BA 65/21


Das könnte Sie auch interessieren:

Kriterien: Scheinselbstständigkeit oder selbstständige Tätigkeit?

Änderungen beim Statusfeststellungsverfahren


 

Hessisches LSG