Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Begrenzung der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Studenten - einheitlicher Studiengang von Bachelo- und Masterstudium
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über das Fortbestehen der Mitgliedschaft eines Studenten in der Krankenversicherung (KVdS) nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB 5 entspricht es dem gesetzlichen Sinn und Zweck, die in einem engen sachlichen Zusammenhang stehenden Bachelor- und Masterstudiengänge als einheitlichen Studiengang zu begreifen. Der Zeitraum, in dem ein Studium regelmäßig durchgeführt werden kann und typischerweise entweder erfolgreich abgeschlossen oder endgültig aufgegeben wird, beträgt 14 Fachsemester bzw. reicht bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres (BSG Urteil vom 7. 6. 2018, B 12 KR 15/16 R).
2. Dabei sind inhaltlich und zeitlich eng zusammenhängende Studiengänge als einheitliche Ausbildung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB 9 mit der Folge einer einheitlichen Zählung der Fachsemester anzusehen.
3. Die Mitarbeit in Hochschulgremien begründet einen Verlängerungstatbestand in der KVdS von bis zu zwei Semestern.
4. Der Bezug von Leistungen nach dem BAföG führt bei geleisteter Gremienarbeit zu keiner weiteren Verlängerung der Höchstdauer.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2019 abgeändert. Unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 8. September 2016 in der Fassung vom 6. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. März 2017 sowie unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Oktober 2017 wird festgestellt, dass die Klägerin über den 30. September 2017 hinaus bis zum 30. September 2018 in der Krankenversicherung der Studenten bei der Beklagten versichert gewesen ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt 29% der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist das Fortbestehen der Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch (SGB V).
Die am ... 1988 geborene Klägerin nahm im Wintersemester 2009/2010 (Dauer des Wintersemesters jeweils vom 1. Oktober bis zum 31. März des Folgejahres) ein Bachelor-Studium der Soziologie an der Universität H. auf, das sie im Sommersemester 2013 (Dauer des Sommersemesters jeweils vom 1. April bis zum 30. September eines Jahres), also im 8. Fachsemester erfolgreich abschloss (Bachelor of Arts). Im unmittelbar folgenden Wintersemester 2013/2014 begann sie an derselben Universität ebenfalls im Studienfach Soziologie ein Masterstudium, das ununterbrochen bis heute andauert.
Die Klägerin war und ist während der Zeit ihres Studiums als Mitglied der Beklagten (ursprünglich der Schwenninger BKK, aus der durch deren Fusion mit der atlas BKK ahlmann zum 1. Januar 2021 die Beklagte hervorgegangen ist; auch im Folgenden stets: Beklagte) gesetzlich krankenversichert, wobei seit Aufnahme des Bachelor-Studiums im Oktober 2009 Versicherungspflicht in der KVdS bestand.
Mit Schreiben vom 8. September 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die KVdS wegen Abschluss des 14. Fachsemesters mit Ablauf des Wintersemesters zum 30. September 2016 ende, und informierte sie über die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung, ohne eine Rechtsbehelfsbelehrung anzufügen. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 informierte die Beklagte die Klägerin sodann über die Einrichtung der freiwilligen Versicherung im Übergangstarif mit Wirkung ab 1. Oktober 2016.
Hiergegen wandte sich die Klägerin am 10. Oktober 2016 mit dem Hinweis, dass sie sich ausweislich ihrer Studienbescheinigung zwar im 15. Hochschulsemester, jedoch erst im 7. Fachsemester befinde; gleichzeitig beantragte sie mit Schreiben vom 3. Oktober 2016 und Formular vom 28. September 2016 die Verlängerung der studentischen Versicherung aufgrund ehrenamtlicher Tätigkeit in verschiedenen Hochschulgremien. Sie legte dar, dass sie seit dem Wintersemester 2010/2011 wöchentlich 9 bis 20 Stunden für Tätigkeiten im Fachschaftsrat (bis einschließlich zum Sommersemester 2016), dem AStA (mit Unterbrechung seit dem Sommersemester 2012), dem Studierendenparlament (mit Unterbrechung seit dem Sommersemester 2013) und dem Fakultätsrat (seit dem Sommersemester 2014 bis einschließlich zum Sommersemester 2016) aufgewandt habe.
Daraufhin teilte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Januar 2017 mit, dass die studentische Krankenversicherung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung für weitere zwei Semester bis zum 30. September 2017 verlängert werde. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Verlängerung der KVdS wegen Gremienarbeit im Hinblick auf § 15 Abs. 3 Nr. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) in Verbindung mit den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BAföG (BAföG VwV), hier zu § 15 Abs. 3 Nr. 3 BAföG, nur um maximal zwei Semester möglich sei und eine nochmalige Verlängerung daher nicht in Betracht komme.
Hiergegen legte die Klägerin ...