Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6. Leiter eines Nachhilfeinstituts. selbstständig tätiger Ein-Mann-Franchise-Nehmer. Dienstleistungs-Franchise
Orientierungssatz
1. Zur Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 eines als Leiter eines Nachhilfeinstituts selbstständig tätigen Ein-Mann-Franchise-Nehmers.
2. Die soziale Schutzbedürftigkeit eines Ein-Mann-Franchise-Nehmers besteht unabhängig davon, ob dieser Waren oder Dienstleistungen anbietet (Anschluss an LSG Schleswig vom 5.12.2011 - L 1 R 59/11).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.06.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Rentenversicherungspflicht des Klägers gemäß § 2 S. 1 Nr. 9 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) in seiner Tätigkeit als Franchise-Nehmer für eine GmbH.
Mit Bescheid vom 18.05.2004 hatte die Beklagte festgestellt, dass der 1968 geborene Kläger seit dem 01.01.1999 als selbstständiger Lehrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI unterliege.
Der Kläger teilte der Beklagten mit E-Mail vom 21.08.2018 mit, dass er eine Schülerhilfe-Nachhilfeeinrichtung "seit dem 1. April 2009" betreibe und dort selbst unterrichte. Der Schwerpunkt liege nicht im Unterricht, sondern in der Organisation und Verwaltung der Nachhilfeeinrichtung. Er bitte um Feststellung, nicht länger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu unterliegen. Der Kläger fügte der E-Mail einen Folge-Franchise-Vertrag (FFV) zwischen ihm als Franchise-Partner und der U-GmbH aus R (Franchise-Geber) vom 27.11.2017 bei.
In § 1 Nr. 1 des FFV ist geregelt, dass der Franchise-Partner verpflichtet ist, Kurse in seiner "Schülerhilfe" auf der Grundlage des ihm vom Franchise-Geber überlassenden Know-hows nach § 9 anzubieten und durchzuführen. In § 1 Nr. 2 des FFV wird aufgeführt, dass der Franchise-Partner berechtigt ist, in seiner Schülerhilfe Waren und/oder Dienstleistungen nach schriftlicher Absprache mit dem Franchisegeber anzubieten, die zu den Schülerhilfe-Produkten passen. Der Franchisepartner ist nach § 1 Nr. 2 des FFV weiter berechtigt, andere Produkte und/oder Dienstleistungen, die nicht Gegenstand dieses Franchise-Vertrages sind, gegenüber dem Franchise-Geber vorzuschlagen; soweit der Franchise-Geber einwilligt, können diese Produkte vertrieben und/oder Dienstleistungen über die Schülerhilfe des Franchise-Partners erbracht werden. Nach § 5 Nr. 2 des FFV ist der Franchise-Partner nicht berechtigt, außerhalb seines Versorgungsgebietes eine Schülerhilfe oder ein konkurrierendes Nachhilfeinstitut zu betreiben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den FFV vom 27.11.2017 Bezug genommen.
Ergänzend teilte der Kläger in der E-Mail mit, dass er nicht vom Franchisegeber abhängig sei. Dieser stelle zwar die Marke "Schülerhilfe" und die entsprechende Copyright-Identität zur Verfügung, er sei aber für die Anmietung der Unterrichtsräume sowie deren Ausstattung mit Mobiliar, Lehrmitteln und Computern alleine verantwortlich. Auch erfolge die Auswahl, Beschäftigung und Entlohnung der ausschließlich als Honorarkräfte tätigen Nachhilfelehrer nach seinem Ermessen. Die Höhe des Schulgeldes und die Ausgestaltung der Verträge mit den Kunden würden von ihm festgelegt. Das lokale Marketing, Vertragsabschlüsse mit den Kunden und die Erledigung der kompletten Buchhaltung unterlägen seiner Verantwortung.
Mit Schreiben vom 16.04.2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, die Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI als Selbstständiger mit einem Auftraggeber festzustellen. Der Kläger erziele aus dem Franchisevertrag mehr als geringfügige Einnahmen und beschäftigte keinen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit. In Franchise-Systemen sei der Franchise-Geber einziger Auftraggeber des Franchise-Nehmers. Dies beruhe darauf, dass im Rahmen eines solchen Verhältnisses genau die Situation bestehe, die die Einbeziehung von selbstständigen Tätigen mit nur einem Auftraggeber in die Rentenversicherungspflicht veranlasst und begründet habe. Franchise-Nehmer seien für ihre selbstständige Tätigkeit vollständig von ihrem Franchise-Geber abhängig. Die Tätigkeit des Klägers könne außerhalb des Franchise-Vertrages nicht ausgeübt werden, weil dem Kläger insoweit weder Betriebsmittel noch Lieferbeziehungen zur Verfügung stünden. Unerheblich sei es, wenn im Rahmen des Franchise-Systems keine Produkte, sondern Dienstleistungen vertrieben würden.
Mit Bescheid vom 22.08.2019 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.09.2018 nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI fest. Ab dem 01.09.2018 habe er Pflichtbeiträge (Regelbeiträge) zu zahlen.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Die pauschale Aus...