Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anwendung des bis zum 31. 12. 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts bei der Gewährung von Witwerrente - Beweis des ersten Anscheins - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Orientierungssatz
1. Ist bei einem Antrag auf Gewährung von Witwerrente eine Erklärung zur Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts gemäß § 303 SGB 6 abgegeben worden und hat die Versicherte im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod nicht den überwiegenden Familienunterhalt bestritten, so besteht gemäß § 303 SGB 6 kein Anspruch auf Witwerrente.
2. Der zulässige Beweis des ersten Anscheins erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs aufgrund von Erfahrungssätzen auch dann, wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (BSG Urteil vom 31. 1. 2012, B 2 U 2/11 R).
3. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die zu einem sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten geworden ist. Ist für eine fehlerhafte Beratung eines Leistungsträgers nichts ersichtlich, so ist ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ausgeschlossen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 01.12.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Witwerrente nach der verstorbenen Versicherten J L (Versicherte).
Der 1931 geborene H L (L.) schloss mit der Versicherten am 00.11.1952 die Ehe. Nach dem Tode der Versicherten am 00.09.2014 beantragte L. die Gewährung von großer Witwerrente nach der Versicherten. Der Antrag wurde am 14.10.2014 durch den Versichertenältesten L1, I, aufgenommen. L. gab hierin an, dass gegenüber einem Rentenversicherungsträger eine gemeinsame Erklärung abgegeben worden sei, dass die am 31.12.1985 geltenden Rechtsvorschriften für Rente an Witwen, Witwer und frühere Ehegatten anzuwenden seien. Die Beklagte übersandte daraufhin an L. eine Anlage zum Witwerrentenantrag im Falle der Anwendung des am 31.12.1985 geltenden Rechts. L. füllte diese Anlage am 16.11.2014 aus und gab an, über monatliche Einkünfte in Höhe von monatlich 1.467,25 Euro Altersrente sowie 352,93 Euro Firmenrente zu verfügen, während die Versicherte monatlich 832,- Euro Altersrente bezogen hätte.
Die Beklagte forderte von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) (Kontoführer des L.) die laut Kontospiegel des Versichertenkontos der Versicherten dort am 16.12.1988 abgegebene und am 01.02.1989 erfasste Erklärung zur Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts an. Die DRV (früher: Landesversicherungsanstalt [LVA] Rheinprovinz) übersandte einen Ausdruck des dortigen Kontospiegels mit der Speicherung der gemeinsamen Erklärung der Ehegatten gem. § 303 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) vom 16.12.1988 und teilte mit, der Vordruck bezüglich der gemeinsamen Erklärung läge in der dortigen Akte nicht mehr vor.
L. machte daraufhin geltend, eine Vereinbarung aus dem Jahre 1988 nicht zu kennen. Wenn diese getroffen worden sei, müsse sie auch vorliegen, ansonsten müsse man davon ausgehen, dass es keine Vereinbarung gebe.
Mit Bescheid vom 31.03.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwerrente an L. ab, da eine gemeinsame Erklärung für die Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Rechts vorliege und nicht die Versicherte, sondern L. den überwiegenden Unterhalt der Familie bestritten hätte.
Dagegen legte L. am 20.04.2015 Widerspruch ein und bestritt, dass es eine gemeinsame Erklärung für die Anwendung des bis zum 31.12.1985 geltenden Hinterbliebenenrechts gebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises hätten L. und die Versicherte am 16.12.1988 eine Erklärung über die Anwendung der am 31.12.1985 geltenden Rechtsvorschriften für Renten an Witwen und Witwer abgegeben, so dass § 303 SGB VI zur Anwendung komme. Es könne davon ausgegangen werden, dass die vorliegende elektronische Speicherung des Eingangs der gemeinsamen Erklärung über die Anwendung des alten Hinterbliebenenrechts am 16.12.1988 in den Versicherungskonten sowohl des L. als auch der verstorbenen Versicherten darauf beruhe, dass tatsächlich eine entsprechende Erklärung vorgelegen habe. Die zuständige Rentengruppe habe den Eingang der übereinstimmenden Erklärung im Zweizug-Verfahren zu dokumentieren. Als Datum der Erklärung sei der Tag zu speichern gewesen, an dem die Erklärung beim Rentenversicherungsträger oder bei einer anderen zur Entgegennahme berechtigten amtlichen Stelle eingegangen sei. Durch die fehlerfreie Verarbeitung sei das Vorliegen der übereinstimmenden Erklärung im Konto dokumentiert und ein maschinelles Bestätigungsschreiben erstellt worden. Das Partnerkonto werde durch einen DSRV (Datenstelle der Träger der Rentenvers...