Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Bescheid über Beitragsnacherhebung und Statusfeststellung. vorläufiger Rechtsschutz. Anwendbarkeit des § 7a Abs 7 SGB 4. lex specialis gegenüber § 86a Abs 2 Nr 1 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Der vorläufige Rechtsschutz nach § 7a Abs 7 SGB 4 kann nicht dadurch entfallen, dass daneben auch Beiträge nachgefordert werden. Gegenüber § 86a Abs 2 Nr 1 SGG ist § 7a SGB 4 lex specialis.
2. § 7a Abs 7 SGB 4 gilt nicht nur für Statusentscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, sondern auch für Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB 4, insbesondere bei Betriebsprüfungen.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 01. Oktober 2012 wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Anfechtungsklagen vom 11. April 2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03. Mai 2011, geändert durch die Bescheide vom 23. Dezember 2011, in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. März 2012 aufschiebende Wirkung haben.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten beider Verfahrenszüge.
Der Streitwert wird auf 6.025,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen zuzüglich darauf entfallender Säumniszuschläge. Die Antragsteller sind Gesellschafter der Factory Club GbR mit Sitz in M. Die GbR betreibt eine sogenannte Event-Gastronomie. Dafür organisiert und führt sie Tanzveranstaltungen und Konzerte hauptsächlich in der Factory M. durch. Bei diesen Veranstaltungen werden Servicekräfte mit eigener Gewerbeerlaubnis eingesetzt, die die erbrachten Leistungen per Rechnung mit der GbR abrechnen.
Die Antragsgegnerin führte vom 04. Mai 2010 bis zum 08. April 2011 eine Betriebsprüfung bei den Antragstellern durch. Nach erfolgter Anhörung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 03. Mai 2011 für den Zeitraum vom 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 Beiträge sowie Säumniszuschläge in Höhe von 76.044,30 EUR. Bei den bei den Antragstellern beschäftigten Arbeitnehmern, die als Kellner bzw. in ähnlichen Tätigkeiten (Barkeeper) beschäftigt seien, handele es sich um versicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer. Nach einer Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Hiergegen legten die Antragsteller am 12. Mai 2011 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. In einem vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) durchgeführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 12 R 772/11 ER) erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht zu vollstrecken. Mit Bescheiden vom 23. Dezember 2011 wurde dem Widerspruch teilweise abgeholfen und die Nachforderung auf nunmehr 30.373,29 EUR festgesetzt. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sei festgestellt worden, dass bei einigen Arbeitnehmern die Gleitzonenregelung des § 20 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) anzuwenden sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 13. März 2012 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragsteller zurück. Sie verwies ergänzend auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 06. Juni 1991 - L 1 Kr 1217/98 und auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Dezember 2008 - L 5 R 5976/07. Hiergegen haben die Antragsteller am 11. April 2012 Klage beim SG (S 12 R 242/12, S 12 R 244/12 und S 43 R 246/12) erhoben.
Am 27. April 2012 haben die Antragsteller beim SG in drei einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 12 R 312/12 ER, S 12 R 322/12 ER und S 43 R 316/12 ER) beantragt, gemäß § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Sie haben vorgetragen, es ergäben sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Sämtliche Personen hätten die für die Factory D. Club GbR im Rahmen von Einzelaufträgen erbrachten Leistungen per Rechnung im Sinne des § 14 Umsatzsteuergesetz abgerechnet. Die Factory D. Club GbR habe für jede Einzelveranstaltung unterschiedliche Personen beauftragt. Es sei dementsprechend je nach Bedarf und Umfang der Veranstaltung eine unterschiedliche Personenanzahl, wobei auch hierbei jeweils unterschiedliche Personen beauftragt worden seien, eingesetzt worden. Diesbezüglich würden und hätten keine Dienstpläne existiert. Es seien Auftragnehmer entsprechend ihren Vorlieben bzw. ihrem Auftreten bei bestimmten Events eingesetzt worden. Die Auftragnehmer seien für eine Vielzahl von anderen Auftraggebern tätig geworden, insbesondere auch für direkte Konkurrenten. Es habe den jeweiligen Auftragnehmern oblegen, die Angebote der GbR anzunehmen oder abzulehnen. Von einer Eingliederung der betreffenden Personen in das Unternehmen könne nicht die Rede sein. Die Personen würden nach Bedarf kontaktiert werden. Ihnen werde für jeden Einzelfall ein konkretes Angebot für eine Tätigkeit bei einer Ver...