Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahmeentscheidung. unzutreffendes Datum des zu korrigierenden Bescheides im Rücknahmebescheid. fehlerhafte Übertragung von Rentenanwartschaften im Rahmen eines Versorgungsausgleiches. Euroumrechnung. Vertrauensschutz. Ermessensausübung. Hinreichende Bestimmtheit. Auslegung des Verfügungssatzes nach dem objektiven Empfängerhorizont. Offenbare Unrichtigkeit. Grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes. Mitverschulden der Behörde
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn in einem Rücknahmebescheid das falsche Datum des zurückzunehmenden Bescheides benannt wird, führt dies nicht zwangsläufig zu dessen Rechtswidrigkeit, wenn nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides die gewollte Entscheidung der Behörde deutlich erkennbar ist.
2. Zur Frage des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs 2 S 3 SGB 10 und der Ermessensausübung, wenn im Rahmen eines Versorgungsausgleiches durch den Rentenversicherungsträger die zu übertragenden Anwartschaften in DM ohne Umrechnung in Euro übernommen werden.
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz 1 vgl BSG vom 13.12.2000 - B 5 RJ 42/99 R und vom 24.2.1999 - B 5 RJ 32/98 R.
2. Zur Auslegung des Verfügungssatzes eines Verwaltungsaktes kann dessen Begründung herangezogen werden (vgl BSG vom 6.2.2007 - B 8 KN 3/06 R = SozR 4-2600 § 96a Nr 9).
Normenkette
SGB X § 33 Abs. 1, §§ 38, 45 Abs. 1, 2 S. 3 Nr. 3; SGB I § 39 Abs. 1 S. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 2
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2012 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seines Rentenbescheides und die Erstattung von Rentenleistungen nach einer fehlerhaften Übertragung von Rentenanwartschaften im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich.
Die Ehe des am ... 1949 geborenen Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts Stendal vom 28. März 2002 - 5 F 12/01 - geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde zunächst ausgesetzt. Mit Bescheid vom 29. November 2005 bewilligte die Beklagte ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01. September 2005 bis zum 30. April 2006 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 545,51 Euro. Am 08. Dezember 2005 beantragte er die Fortzahlung der Rente. Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 teilte das Amtsgericht der Beklagten mit, dass der Vorsorgungsausgleich weiterhin ausgesetzt bleibe. Mit Bescheid vom 23. März 2006 bewilligte sie dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer. Zur Höhe der Rente teilte sie mit, dass diese aus technischen Gründen zurzeit nicht abschließend bestimmt werden könne. Die Rente werde daher vorläufig in Höhe der bisherigen Rente geleistet. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Berechnung der Rentenhöhe bei der Weiterzahlung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007 wurden dem Kläger Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 165,65 DM übertragen. Mit Schreiben vom 09. August 2007 teilte die Beklagte ihm mit, dass sich durch die Übertragung der Rentenanwartschaften eine Erhöhung der Rente ergebe. Entgegen der Festlegung im Beschluss des Amtsgerichts wies sie allerdings einen Betrag von monatlich 165,65 Euro aus. Die Rentenbewilligung der geschiedenen Ehefrau des Klägers wurde mit Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 entsprechend abgeändert.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2009 stellte die Beklagte die Rente des Klägers für die Zeit ab 01. Mai 2006 endgültig fest. In der Anlage 5 des Bescheides führte sie zu den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs aus, dass aus der Ehezeit vom 01. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 2000 zu Gunsten des Klägers Rentenanwartschaften übertragen worden seien. Die übertragene Rentenanwartschaft sei auf 165,65 Euro monatlich festgestellt worden. Dies seien zum Ende der Ehezeit monatlich 323,98 DM gewesen.
Im Januar 2010 stellte die Beklagte im Rahmen einer internen Prüfung fest, dass bei der Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches von einem fehlerhaften Betrag ausgegangen worden sei. Daraufhin hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 03. März 2010 an. Bei dem Versorgungsausgleich seien 165,65 Euro statt 165,65 DM zur Anrechnung gekommen. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 24. Juli 2007 mit Wirkung ab dem 01. September 2007 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zurückzunehmen. Die richtig berechnete Rente in Höhe von 767,58 Euro sei ab dem 01. Mai 2010 laufend zu zahlen und die Überzahlung für die Zeit vom 01. September 2007 bis 30. April 2010 in Höhe von 2.694,46 Euro nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Der Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des Bescheides erkennen können. Dieser teilte hierzu mit Schreiben vom 09. März 2010 mit, dass die Beklagte vor...