Während wirtschaftliche Kennziffern durch den Jahresabschluss oder die Gewinn- und Verlustrechnung automatisch am Ende eines Wirtschaftsjahres erfasst wurden, ist die Ermittlung von ESG-Zielen im Vergleich noch Neuland. So kann die Zielvorgabe, Müll im gesamten Unternehmen zu reduzieren, theoretisch an der Menge der gefüllten Mülltonnen gemessen werden, aber wird oft nicht aussagekräftig dokumentiert. Hingegen ist die Reduzierung des Energieverbrauchs durch die Ablesung der Strom- und Heizzähler einfacher nachzuvollziehen. Auch sind manche ESG-Ziele nur durch externe Beurteilung möglich, z. B. die Bestimmung des CO2-Ausstoßes pro Jahr. Auch die Implementierung von weichen ESG-Zielen führt zu Schwierigkeiten in der Messbarkeit deren Zielerreichungsgrades. Infolgedessen kann es vermehrt zu Streitigkeiten kommen, ob und in welcher Höhe dem Arbeitnehmer ein Bonus zusteht. Schließlich muss der Arbeitnehmer, wenn zwischen ihm und dem Arbeitgeber keine Einigung erzielt werden kann, den Anspruch auf seinen Bonus gerichtlich geltend machen.
Im gerichtlichen Prozess gilt grundsätzlich ein abgestuftes System der Darlegungslast. Dieses differenziert auch danach, ob harte oder weiche Ziele Gegenstand der Zielvereinbarung sind.
Harte Ziele als Gegenstand einer Zielvereinbarung können am Ende des Bezugszeitraums gemessen und ausgewertet werden. Daraus kann der Zielerreichungsgrad abgeleitet und der Bonus berechnet werden. Bestreitet der Arbeitnehmer bestimmte Kennzahlen in der Zielvereinbarung (z. B. die Anzahl der gefahrenen Kilometer), ist der Arbeitgeber verpflichtet substanziiert diese Bewertung zu begründen. Erwidert der Arbeitnehmer selbst substanziiert den Vortrag des Arbeitgebers aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, muss der Arbeitgeber die Bewertung der Zielvereinbarung voll beweisen. Bei harten quantitativen Zielen ist ein konkreter Vortrag des Arbeitgebers auch möglich und erforderlich. Fehlen dem Arbeitnehmer die notwendigen Informationen zur Konkretisierung seines Leistungsantrags und damit zum Bestreiten der arbeitgeberseitigen Bewertung, kann dieser einen Auskunftsanspruch auf Herausgabe der unternehmensbezogenen Daten im Rahmen einer Stufenklage geltend machen.
Bei weichen Zielen gestaltet sich die Bestimmung, ob diese erreicht wurden, schwieriger. Sie sind abhängig von subjektiven Bewertungen des Vorgesetzten oder Einschätzungen und Meinungen der Mitarbeiter. Sofern der Arbeitnehmer diese Bewertungen bestreitet, muss der Arbeitgeber diese nur so weit wie möglich konkretisieren und plausibel machen. Sofern sich der Arbeitgeber auf Bewertungen anderer Mitarbeiter (z. B. die Ergebnisse der Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit) stützt, sind diese konkret im Prozess vorzutragen. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber als Beurteilendem bei weichen qualitativen Zielen notwendigerweise ein Beurteilungsspielraum zusteht. Somit kann das Erreichen eines Ziels, welches von der Einschätzung eines Vorgesetzten abhängt, nur eingeschränkt gerichtlich überprüft werden.
Es ist daher zu empfehlen – vor allem bei weichen Zielen – ein konkretes Bewertungssystem mit einzelnen Bewertungskriterien und deren Abstufungen in der Zielvereinbarung zu definieren. Nur so kann sich für den Arbeitnehmer in gewisser Weise nachvollziehbar ein Zielerreichungsgrad ergeben und Streitigkeiten über Bonuszahlungen vermieden werden.