ESG als Grundlage für nachhaltige Vergütungsziele
ESG-Ziele und Nachhaltigkeit als Vergütungsziel
Verfolgen Unternehmen eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie durch festgelegte ESG-Ziele, hat dies konsequenterweise Auswirkungen in allen Bereichen und in unterschiedlichen Aspekten des alltäglichen Lebens im Unternehmen. Von einem unternehmensweiten Hinweisgebersystem, über betriebliche Regelungen der Mülltrennung, bis hin zu konkreten Anweisungen an die Arbeitnehmer im Einkaufsbereich, nur faire Produkte zu erwerben.
Neben diesen einseitigen Vorgaben des Arbeitgebers, treten als Motivation auch die ideologischen Ziele der einzelnen Arbeitnehmer hinzu, die unternehmensspezifischen ESG-Ziele im Arbeitsalltag umzusetzen. Den größten Anreiz kann der Arbeitgeber durch eine zusätzliche finanzielle Vergütung setzen, die sich an der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien und das Erreichen der ESG-Ziele orientiert. Die Umsetzung der Incentivierung im Arbeitsverhältnis kann durch verschiedene Vergütungsmodelle erfolgen:
Konkrete ESG-Ziele können dabei individualvertraglich mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder auch auf betrieblicher Ebene festgelegt werden. Anknüpfungspunkt sind hierbei vorrangig variable Vergütungsformen, die sich danach richten, inwieweit die ESG-Ziele erreicht wurden (Zielerreichungsgrad). Alternativ bieten Prämien finanzielle Anreize, die für jedes (vorab festgelegte) Verhalten oder Handlung in Richtung der ESG-Ziele eine Sonderzahlung auslösen. Auch können Provisionen, welche die Arbeitnehmer an Erträgen von Projekten beteiligen, vereinbart werden. Der Arbeitgeber kann ebenso durch Wettbewerbe, Sonderurlaub und spezielle Sachzuwendungen Vorteile für Verhalten im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie gewähren.
Die Incentivierung nachhaltigen Handelns kann im Rahmen langfristiger (Long-Term Incentive, "LTI") und/oder kurzfristiger (Short-Term Incentive, "STI") Leistungsanreize umgesetzt werden. Letztere haben den Vorteil, dass die damit verbundenen ESG-Ziele in kürzeren Intervallen erfasst werden und flexibel an die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens nach Bedarf angepasst werden können. Sie eignen sich daher hervorragend für die jährliche Zielvereinbarung mit den Arbeitnehmern.
Variable Vergütungsformen: Boni, Sonderzahlungen
Hauptinstrument für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie im Arbeitsverhältnis stellen die variablen Vergütungsformen dar. Normativer Anknüpfungspunkt ist in der Regel eine Rahmenregelung im Arbeitsvertrag, welche die Grundsätze über den Abschluss einer (jährlichen) Zielvereinbarung und die Art der Ziele vorsieht. Hierauf aufbauend können dann jährlich konkrete Ziele in einer individuellen Zielvereinbarung vereinbart werden.
Notwendig ist eine solche Rahmenvereinbarung allerdings nicht. Aufgrund der Vertragsfreiheit können die Arbeitsvertragsparteien auch ohne eine solche Regelung eine entsprechende Zusatzvereinbarung abschließen.
Bezugspunkt der ESG-Ziele (individuelle und unternehmensweite Ziele)
Eine solche Zielvereinbarung besteht im Kern aus 2 Elementen: Zum einen aus den zu erreichenden Zielen und zum anderen aus einem Bezugszeitraum (meist Kalender- oder Wirtschaftsjahr). Zusätzlich wird in der Regel auch die Höhe des jeweiligen Bonus geregelt, um dem Arbeitnehmer den finanziellen Anreiz vor Augen zu führen. Zwingend notwendig ist dies allerdings nicht. Insofern enthalten die Zielvereinbarungen dann eine Zusage dem Grunde nach, deren Höhe der Arbeitgeber im Rahmen billigen Ermessens gemäß § 315 BGB einseitig bestimmt.
In einer Zielvereinbarung können sämtliche Ziele, die der Arbeitnehmer verfolgen und erreichen soll, vereinbart werden. Sie müssen aber durch Sorgfalt und Fleiß erreichbar sein. Hierzu zählen insbesondere konkrete ESG-Ziele im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie. Diese können konkret auf den jeweiligen Arbeitnehmer und seine Arbeitssituation zugeschnitten sein. So ergeben sich für die verschiedenen Arbeitsgruppen im Unternehmen unterschiedliche ESG-Zielvorgaben.
Harte ESG-Kriterien
Sind Grundlage der Ziele harte ESG-Kriterien, sollten feste Kennzahlen oder Schwellenwerte aufgenommen werden. An diesen kann sich der Arbeitnehmer effektiv im Alltag bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsbestrebungen orientieren. Mögliche individuelle Ziele können
- für Vertriebsmitarbeiter die Reduzierung von Autofahrten und Kundenterminen durch Einsatz von Telekommunikationsmitteln,
- für Buchhaltungsmitarbeiter der Verzicht auf Papierausdrucke oder
- für Arbeitnehmer im Einkauf die Bevorzugung von nachhaltigen Produkten sein.
Weiche ESG-Kriterien
Werden in einer Zielvereinbarung weiche ESG-Kriterien festgelegt, wird der Zielerreichungsgrad nicht anhand objektiver Kennzahlen, sondern anhand von Bewertungssystemen mit verschiedenen Kriterien und Bewertungsstufen nach dem Bezugszeitraum durch den Vorgesetzten oder den Arbeitgeber bemessen. Hierbei ist darauf zu achten, dass diese Ziele zumindest justiziabel sind und es sich nicht faktisch um eine Ermessenszahlung handelt. Oftmals werden mehrere weiche Kriterien innerhalb einer Zielvereinbarung aufgenommen und zusammengerechnet.
ESG-Ziele des gesamten Unternehmens
Die einer variablen Vergütung zugrunde liegenden Ziele können aber auch ESG-Ziele des gesamten Unternehmens betreffen, auf die der einzelne Arbeitnehmer nur begrenzt Einfluss nehmen kann. Bekannte Beispiele sind das Koppeln einer Bonuszahlung an den EBIT eines Unternehmens, was dessen wirtschaftliche Performance beschreibt. Ein Arbeitnehmer allein kann diese Kennzahl nicht maßgeblich beeinflussen. Allerdings ergibt sich durch ein kollektives Zusammenwirken aller Arbeitnehmer ein relevanter Unterschied. Im Bereich Nachhaltigkeit kann anstelle der wirtschaftlichen Kennzahl des EBITs z.B. der CO2-Ausstoß des Unternehmens oder die Anzahl der Arbeitsunfälle im Bereich des Sicherheitspersonals oder die Anzahl der Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen im Bereich Compliance implementiert werden.
Kombination verschiedener Kriterien
In der Praxis wird die jährliche Zielvereinbarung mit dem Arbeitnehmer zur Umsetzung der ESG-Ziele aus vielen unterschiedlichen Bestandteilen bestehen. So können konkrete arbeitsplatzbezogene (harte) Kriterien mit persönlichen (weichen) Zielen und unternehmensbezogenen Vorgaben kombiniert werden. Hierdurch werden frühere rein am Unternehmensumsatz bezogene Bonusvereinbarungen umfangreicher und vielfältiger.
Prämien und Wettbewerbe
Neben der variablen Vergütung der Umsetzung von ESG-Zielen, kann der Arbeitgeber auch ein bestimmtes nachhaltiges Verhalten belohnen. Solche Sonderzahlungen des Arbeitgebers werden als individuelle Prämien bezeichnet. Der wesentliche Unterschied zwischen Prämien und den variablen Vergütungsformen besteht darin, dass Erstere ein konkretes Ziel, Handeln oder Ereignis voraussetzen, welches dann die volle Höhe der Prämienzahlung auslöst. Es gibt gerade keine graduelle Abstufung vergleichbar mit dem Zielerreichungsgrad.
Auch hier kann der Arbeitgeber wieder differenzieren und arbeitsplatzbezogene Prämien für bestimmte Arbeitnehmer einer Gruppe oder aber auch unternehmensweit eine Prämienregelung aufstellen.
Individuelle und arbeitsplatzbezogene Prämien
Individuelle Prämien werden in der Regel als Teil des Arbeitsvertrags oder in einer Zusatzvereinbarung festgehalten. Gerade für Teamleiter und Personen mit Führungsaufgaben kann hierdurch die jährliche Teilnahme an bestimmten Fortbildungen (z. B. zur Inklusion oder zur Verhinderung der Diskriminierung) zusätzlich finanziell vergütet werden. Es bietet sich aber auch an, ganze Arbeitsgruppen zum positiven Verhalten im Sinne der ESG-Ziele zu motivieren.
Unternehmensweite Prämien
Im Gegensatz dazu kann der Arbeitgeber auch unternehmensweite Prämien auszahlen. Hierzu kann der Arbeitgeber ein bestimmtes nachhaltiges Handeln insgesamt belohnen. Möglich ist dabei auch, nachhaltiges Handeln der Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit zu unterstützen. Hierin liegt keine unzulässige Regelung des privaten Verhaltens der Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit.
Rechtlich können solche unternehmensweiten Prämien in Form einer Gesamtzusage umgesetzt werden. Diese ist eine ausdrückliche und mit Rechtsbindungswillen verbundene Erklärung des Arbeitgebers, jedem Arbeitnehmer, der die in der Gesamtzusage abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung zu gewähren. Sie kann an die gesamte Belegschaft oder an eine Gruppe innerhalb der Belegschaft gerichtet sein. Die Gesamtzusage wird dann Inhalt der einzelnen Arbeitsverhältnisse gemäß § 151 BGB.
Provision
Weiterhin können Umsatzprovisionen als Vergütungsanreiz für Arbeitnehmer eingesetzt werden. Diese bieten vor allem im Einkaufsbereich großes Potenzial. Sofern Arbeitnehmer die Handelspartner, Zulieferer oder Spediteure im Rahmen ihrer Zuständigkeit auswählen dürfen, kann diese Auswahl durch finanzielle Anreize beeinflusst werden. Im Zuge der Nachhaltigkeitsstrategie kann der Arbeitgeber bestimmte ESG-Kriterien vorgeben, welche die Vertragspartner einhalten sollen. So z. B. Spediteure, die nur elektrifizierte Fahrzeuge einsetzen, Zulieferer, die ihren Strom nur aus nachhaltigen Energiequellen beziehen oder Hersteller, die sich an gewisse Arbeitsbedingungen halten (keine Kinderarbeit, Mindestlohn, Pause und Ruhezeiten). Gewinnen und/oder beauftragen Arbeitnehmer diesen Standards entsprechende (neue) Vertragspartner, kann z. B. von dem aus diesen Aufträgen generierten Umsatz eine Provision an den Arbeitnehmer gezahlt werden. Ebenso ist es jeweils denkbar, einen Fixbetrag auszuloben.
Gemeinwohlklauseln
Neue Versuche, um die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Arbeitnehmer zu steigern, sind sog. Gemeinwohlklauseln (oder auch negative Prämie). Grundgedanke ist, das dienstliche Verhalten der Arbeitnehmer auf Nachhaltigkeit hin zu bewerten (z. B. CO2-Abdruck) und bei Überschreiten eines Werts, je nach Ergebnis, einen Teil des Lohns abzuziehen. Anknüpfungspunkte können die Art des Arbeitswegs oder die Essensauswahl in der betrieblichen Kantine sein. Der einbehaltene Teil kann dann als Kompensation für Nachhaltigkeitsprojekte gespendet werden.
Allerdings sind solche Regelungen arbeitsrechtlich sehr bedenklich. Rechtlich handelt es sich hierbei um eine Lohnkürzung. Voraussetzung ist zumindest eine vertragliche Regelung. Diese müsste inhaltlich einen Bezug zum Arbeitsverhältnis selbst aufweisen. Während man bei der Frage, wie der Arbeitsweg zurückgelegt wurde, noch einen Bezug zum Arbeitsverhältnis herleiten könnte, ist dagegen das Essen in der Mittagspause der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers zuzurechnen.
Grundsätzlich gilt dabei, dass der Arbeitgeber nicht in den privaten Bereich des Arbeitnehmers eingreifen und regeln darf. Der Arbeitnehmer ist hierbei durch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht grundrechtlich abgesichert. Die Rechtsprechung hinsichtlich des Einflusses des Arbeitsvertrags auf das außerdienstliche Verhalten ist sehr zurückhaltend und erlaubt nur im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB die Einflussnahme auf die private Lebensführung. Auch wenn der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern eine Nachhaltigkeitsprämie gewährt und nur diese wiederum anteilig anhand der Nachhaltigkeitsbewertung kürzt, bestehen die rechtlichen Zweifel weiterhin.
Achtung: Gemeinwohlklausel und Negative Prämie
Rechtsprechung zum Themenkreis Gemeinwohlklausel oder negative Prämie gibt es bislang nicht. Derzeit ist daher von solchen Regelungen eher abzuraten und umgekehrt nachhaltiges Handeln zu belohnen. Im Rahmen einer variablen Vergütungsform kann über den Zielerreichungsgrad die Höhe einer Sonderzahlung gesteuert und diese bei niedriger Zielerreichung "gekürzt" werden.
Urlaub und Freistellungen
Einen weiteren Anreiz für nachhaltiges Handeln kann ein Arbeitgeber durch Gewährung von Freizeit schaffen. Während die unbezahlte Freistellung zum Teil für soziale Zwecke geregelt ist, wird vor allem zusätzlicher bezahlter Urlaub (auch bezahlte Freistellung genannt) wirksam sein. Der Arbeitgeber kann entweder als Prämie zusätzliche Urlaubstage oder für spezielle an den ESG-Zielen des Unternehmens orientierte Zwecke Sonderurlaub im Arbeitsvertrag gewähren. Dies bietet sich gerade für die (ehrenamtliche) Mitarbeit in sozialen Einrichtungen oder für die Unterstützung von Umweltorganisationen an.
Sachzuwendungen
Letztlich kann der Arbeitgeber seine ESG-Ziele auch mit Sachzuwendungen verfolgen. Zunächst kann er seine Umweltbilanz aufbessern, indem er anstatt konventioneller Verbrennerautos Elektrofahrzeuge als Dienstwagen überlässt. Dabei profitieren vor allem die Arbeitnehmer – sofern die private Nutzung erlaubt ist –, weil diese nicht mit 1 % wie Verbrenner, sondern mit 0,25 % des Listenpreises als geldwerter Vorteil besteuert werden.
Betriebliche Mitbestimmung
Sofern im Betrieb des Arbeitgebers ein Betriebsrat besteht, ist dieser insbesondere bei folgenden Bereichen miteinzubeziehen:
- Fragen der betrieblichen Lohngestaltung
- Sonderurlaub für soziale/nachhaltige Zwecke
- Technische Einrichtung zur Erhebung von Arbeitnehmerdaten
- Grundsätze über das betriebliche Vorschlagwesen
- Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschutz
- Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes
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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Haufe Personal Office Gold. In der Langfassung des Artikels finden Sie zahlreiche Praxisbeispiele und Formulierungsvorschläge.
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