Solo im Nachhaltigkeitsmanagement: Allein gegen die Datenflut
Das Nachhaltigkeitsmanagement ist eine komplexe Aufgabe, die in vielen Unternehmen von einer einzigen Person getragen wird: Dem Sustainability People Report 2024 zufolge haben Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitenden im Mittel eine Vollzeitstelle für das Nachhaltigkeitsmanagement. Diese Solo-Nachhaltigkeitsmanager stehen vor besonderen Herausforderungen, die von der Datenerhebung bis zur strategischen Ausrichtung reichen. In diesem Artikel beleuchten wir die persönlichen Erfahrungen von drei Nachhaltigkeitsmanagern, die diese Aufgabe allein schultern: Friederike Blümel vom Internationalen Bund (IB), David Preuß von der KOOPMANN Gruppe und Anette Raschdorf von der Gartenbau-Versicherung. Außerdem geben wir am Ende konkrete Tipps für andere Nachhaltigkeitsmanager, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.
Drei Branchen, ähnliche Herausforderungen
Friederike Blümel ist Nachhaltigkeitsmanagerin beim Internationalen Bund (IB), einer Organisation mit 14.000 Mitarbeitenden. Ihre Aufgaben sind vielfältig und reichen von der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts bis hin zum Energiemanagement. „Eine der größten Herausforderungen ist die Datenerhebung, insbesondere der Energiedaten. Es ist schwierig, alle relevanten Daten zusammenzutragen und die Kommunikation mit den zahlreichen Stakeholdern zu koordinieren“, berichtet Blümel.
David Preuß von der KOOPMANN Gruppe ist erst seit einem halben Jahr in seiner Rolle und hat gerade seine Probezeit abgeschlossen. Die KOOPMANN Gruppe, ein Spezialist in der Energie- und Elektrotechnik, beschäftigt knapp 500 Mitarbeiter und hat deutschlandweit 15 Niederlassungen. Die ersten Monate beschreibt Preuß als intensiv und herausfordernd. „Ich war lange zu stolz und dachte, ich muss alles alleine schaffen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass eine Person für die Fülle an Aufgaben nicht ausreicht“, gesteht er.
Anette Raschdorf von der Gartenbau-Versicherung – einem europäischen Spezialversicherer für Gartenbaubetriebe – teilt ähnliche Erfahrungen. „Als Versicherer sind wir im Prinzip Risikomanager. Die gesetzlichen Auflagen haben das Thema Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt gerückt, und ich bekomme viele Anfragen von Kollegen, die sich dafür interessieren“, sagt sie.
Die Herausforderung der Datenerhebung
Ein zentrales Thema für alle drei ist die Datenerfassung, insbesondere im Hinblick auf die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Als bundesweit aktiver Freier Träger hat der Internationale Bund viele verschiedene Einrichtungen, da sei es besonders schwierig, alle relevanten Energiedaten zu erfassen, so Friederike Blümel.
Die Datenerfassung bestimmt auch die Arbeit von David Preuß: „Wir haben uns für eine Softwarelösung entschieden, um das Handling der Daten zu vereinfachen. Es war klar, dass Excel auf Dauer mehr Arbeit machen würde.“ Für Anette Raschdorf gehören Klimarisiken und die damit verbundenen Daten zum Tagesgeschäft: „Wir beschäftigen uns schon lange mit der sich verschärfenden Risikolage und simulieren, was in den nächsten Jahren passieren könnte. Nachhaltigkeit ist deshalb ein Kernthema für uns.“
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Priorisierung und gesetzliche Anforderungen
Ohne klare Prioritäten kann die Arbeit schnell überwältigend werden. Hierbei kann es hilfreich sein, sich zunächst auf die Erfüllung von Compliance-Anforderungen zu konzentrieren. Blümel betont: „Ohne Prioritäten geht es nicht. Es ist wichtig, dass wir zuerst alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen.“ Auch Preuß betont, wie wichtig es ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Es bringt nichts, in allen Töpfen ein bisschen zu rühren. Dann beschäftigt man sich mit vielen Dingen und kommt zu keinem Ergebnis. Ich konzentriere mich daher auf die großen Themen wie Klimabilanzierung und Wesentlichkeitsanalyse, um daraus strategische Schritte abzuleiten“.
Vor allem die Wesentlichkeitsanalyse gebe eine gute strategische Richtung vor und helfe, das Nachhaltigkeitsmanagement zu strukturieren. Auch für Raschdorf steht die Erfüllung gesetzlicher Pflichten wie die Erstellung einer CO2-Bilanz an erster Stelle, „auch wenn das unsexy klingt“. Daneben sei aber auch die Kommunikation mit den Mitgliedsbetrieben über Nachhaltigkeit ein sehr wichtiger Aspekt, denn bei den Gartenbaubetrieben seien sowohl das Interesse als auch die Handlungsmöglichkeiten groß, so Raschdorf.
Allein auf weiter Flur? Kommunikation und Netzwerke
Gerade für Nachhaltigkeits-Solisten spielt Kommunikation eine entscheidende Rolle, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch nach außen. Blümel: „Mir fehlt der Austausch, weil mich intern manchmal keiner versteht. Deshalb ist es für mich wichtig, Veranstaltungen zu besuchen und Netzwerke zu pflegen“. Sie betont, wie sehr ihr der externe Austausch hilft, neue Perspektiven zu gewinnen und Unterstützung zu finden. Manchmal, so Raschdorf, beneide sie Kollegen, die in einer größeren Nachhaltigkeitsabteilung arbeiten, um die Möglichkeit des direkten Austauschs. Als Einzelkämpferin müsse sie sich ihr Netzwerk extern suchen und von Kontakten außerhalb des Unternehmens profitieren - ohne sich in zu vielen Verbänden und Aktivitäten zu verzetteln!
Gerade für eher introvertierte Nachhaltigkeitsmanager sieht Preuß die Gefahr, zu sehr im stillen Kämmerlein zu bleiben und vor sich hin zu arbeiten. Das reiche aber nicht aus, denn „es ist wichtig, das Thema Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen zu verankern und die Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, sich aktiv einzubringen“. Dazu erarbeitet sein Unternehmen gerade einen Mitarbeiterkompass, der unter anderem Informationen und Anregungen zu Nachhaltigkeit im Arbeitsalltag enthält.
Unterstützung und Delegation
Die Arbeit als Solo-Nachhaltigkeitsmanager kann schnell überfordern, wenn man versucht, alles alleine zu machen. Blümel betont: „Ich habe gelernt, dass ich nicht alles alleine machen kann und mir Hilfe holen muss.“ Sie setzt daher auf die Unterstützung externer Berater, die ihr helfen, die Komplexität ihrer Organisation zu bewältigen. Wichtige interne Ansprechpartner sind für Blümel unter anderem der Einkauf, aber auch das Immobilienmanagement. Preuß ergänzt: „Ich war lange zu stolz, aber es wurde klar, dass eine Person nicht ausreicht.“ Heute betont er, dass Nachhaltigkeit nicht nur in der Nachhaltigkeitsabteilung stattfinden, sondern im gesamten Unternehmen verankert sein sollte.
Und auch Raschdorf berichtet von ähnlichen Erfahrungen: „Durch die gesetzlichen Verpflichtungen ist Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt, und ich bekomme viele Anfragen von Kollegen, die sich für das Thema interessieren. Ich freue mich über das Engagement, muss aber oft erst einmal klären, was eigentlich meine Aufgaben sind.“ Fachabteilungen wie Controlling oder IT sind für Raschdorf wichtige Partner, ebenso der Bereich Zentrale Dienste: „Also alles, was mit Energie, Müll, Wasser zu tun hat. Da muss man sich erst mal erklären lassen, wie so ein Blockheizkraftwerk funktioniert.“
Mentale Belastung und Selbstfürsorge
Die psychische Belastung im Nachhaltigkeitsmanagement ist nicht zu unterschätzen. Blümel: „Man kann nicht rund um die Uhr an die Klimakrise denken, sonst ist der Burnout vorprogrammiert. Ich versuche daher, die Themen nicht mit nach Hause zu nehmen. Es ist wichtig, auch mal abzuschalten. Die Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu finden, ist für sie entscheidend, um nicht auszubrennen. Preuß betont, wie wichtig es ist, selbstbewusst für das Thema einzustehen, aber auch Grenzen zu setzen, um nicht in der Arbeit zu versinken. Dabei gehe es weniger darum, Anfragen abzublocken, sondern vielmehr darum, Impulse zu geben und Aufgaben an Kollegen zu delegieren: „Je mehr Kollegen sich selbst praktisch mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen, desto tiefer wird sie in der Unternehmenskultur verankert“.
Raschdorf betont, wie wichtig die Unterstützung des Managements für das Standing des Nachhaltigkeitsmanagements ist: Eine starke Überzeugung im Vorstand helfe, denn Nachhaltigkeit müsse von oben angestoßen werden. Was sie an dunklen Nachmittagen trägt? Die Überzeugung, etwas Sinnvolles zu tun, und die Hoffnung, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung trotz aller Herausforderungen positive Effekte für alle haben wird.
Tipps für Solo-Nachhaltigkeitsmanager
Aus den Erfahrungen von Friederike Blümel, David Preuß und Anette Raschdorf lassen sich einige Tipps für andere Solo-Nachhaltigkeitsmanager ableiten:
- Priorisieren Sie Ihre Aufgaben: Ohne klare Prioritäten kann einem die Arbeit schnell über den Kopf wachsen. Nutzen Sie die Wesentlichkeitsanalyse, um die wichtigsten Themenfelder zu identifizieren und darauf aufbauend eine klare Prioritätenliste zu erstellen.
- Nutzen Sie spezialisierte Softwarelösungen: Eine spezialisierte Softwarelösung kann die Datenerfassung und -verarbeitung erleichtern. Dies macht die Arbeit effizienter und stellt Genauigkeit und Konsistenz sicher.
- Pflegen Sie externe Netzwerke: Der Austausch mit anderen Nachhaltigkeitsmanagern kann neue Perspektiven eröffnen und wertvolle Unterstützung bieten. Nehmen Sie an relevanten Veranstaltungen teil und pflegen Sie Ihre Netzwerke.
- Delegieren Sie Aufgaben: Versuchen Sie nicht, alles allein zu machen. Delegieren Sie Aufgaben wann immer möglich und holen Sie sich externe Unterstützung, wenn nötig.
- Achten Sie auf Ihre mentale Gesundheit: Ziehen Sie klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben und sorgen Sie für regelmäßige Erholungsphasen. Auch der Austausch mit Kollegen und externen Partnern kann helfen, die psychische Belastung zu reduzieren.
Fazit: Nachhaltigkeit braucht Allianzen
Das Nachhaltigkeitsmanagement stellt Solo-Akteure vor besondere Herausforderungen. Die persönlichen Erfahrungen von Friederike Blümel, David Preuß und Anette Raschdorf zeigen, dass es möglich ist, auch alleine im Nachhaltigkeitsmanagement erfolgreich zu sein. Durch klare Prioritätensetzung, effiziente Datenerhebung, aktive Kommunikation und die Nutzung externer Netzwerke können viele dieser Herausforderungen gemeistert werden. Wichtig ist auch, auf die eigene psychische Gesundheit zu achten und Unterstützung anzunehmen, wenn sie benötigt wird. Dabei ist es für Solisten aber noch umso wichtiger als für Nachhaltigkeitsmanager in größeren Abteilungen, Verbündete im Unternehmen und darüber hinaus zu suchen und Allianzen zu pflegen.
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