Nachhaltige Kommunikation und Beteiligung im Unternehmen

Der Schlüssel zur nachhaltigen Transformation liegt in der Belegschaft – aber wie gewinnt man ihre Unterstützung? Viele Mitarbeitende sehen die Notwendigkeit für Nachhaltigkeit, fühlen sich jedoch von der Umsetzung überlastet oder nicht ernstgenommen. Wie ehrliche Kommunikation und praxisnahe Beteiligung nachhaltige Veränderung fördern.

Klimaschutz genießt in Deutschland eine breite Unterstützung – wenn es um die konkrete Umsetzung geht, wird es jedoch kompliziert. So unterstützen 67 Prozent der Bevölkerung Klimaschutz, aber nur 20 Prozent empfinden die Umsetzung als gerecht. Dies ist das Ergebnis einer Ende 2023 veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung

„In den Unternehmen haben wir das gleiche, differenzierte Bild“, sagt Dr. Riccardo Wagner, Professor für Kommunikation und Nachhaltigkeitsmanagement an der Fresenius Hochschule in Köln. Wer erwartet, alle würden bei Nachhaltigkeit das Gleiche denken, kann leicht vereinnahmend wirken und gar die Ablehnung fördern. Hinzu kommt die Arbeitsverdichtung in Unternehmen. Oft begegnet Wagner daher einer Haltung, die er so zusammenfasst: „Ja, Nachhaltigkeit ist wichtig, aber ich habe schon genug um die Ohren. Lass mich damit in Ruhe.‘“

Interne Kommunikation als Schlüssel zur Transformation

Wie kann vor diesem Hintergrund interne Nachhaltigkeitskommunikation gelingen? Dass sie ausschlaggebend ist, steht schließlich außer Frage. „Ohne die Mitarbeiter:innen wird keinem Unternehmen die nachhaltige Transformation gelingen. Sie sind es, die das Ganze umsetzen müssen“, sagt Wagner.  

Er mahnt zu Vorsicht schon bei den Voraussetzungen: „Es ist eine Lebenslüge, dass wir eine nachhaltige Wirtschaft hätten. Die meisten Unternehmen leben mit ihrem Wirtschaften noch über die planetaren Grenzen hinaus.“ Die Menschen hätten ein feines Gespür dafür – und sie wüssten auch: „Wenn es hart auf hart kommt, gewinnt immer das Business. In diesem Dilemma stecken wir.“ Genau das aber konterkariere alles, was zu Nachhaltigkeit kommuniziert wird. „Von oben kommt immer noch viel Propaganda. Da wollen sich die Mitarbeitenden nicht einspannen lassen und ziehen sich zurück.“ 

Was dagegen hilft, ist offen über die nachhaltigen Bemühungen und die Herausforderungen zu sprechen: „Die eigentliche Nachhaltigkeitskommunikation ist das Aushandeln dessen, was Nachhaltigkeit für unser Unternehmen bedeutet“, sagt Wagner. Das schafft Akzeptanz und Unterstützung. „Ich muss das Signal senden, dass abweichende Meinungen ausdrücklich erwünscht sind, und muss Räume schaffen, wo Mitarbeitende sich austauschen und Kritik anbringen können“, fordert Wagner. Entscheidend sei, dass Kritik und Anregungen gehört werden und dass ihre Rückmeldung Konsequenzen habe: „Was die Leute sagen, muss einen Effekt haben. Sonst führt das zu Frust.“ 

Coffee Chats für echten Austausch – ein Erfolgsrezept?

Ein beliebtes Format, das hier sehr gut helfen kann, sind sogenannte „Coffee Chats“: Hier lädt ein:e Vertreter:in des oberen Managements, zum Beispiel die Leitung des Bereichs Nachhaltigkeit, zu einer lockeren Diskussionsrunde ein. Die ersten 15 Menschen, die sich hierfür melden, dürfen teilnehmen. Ohne Nachberichte oder Protokolle bietet dieses Format Raum für ungezwungenen Austausch über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg. Wichtigste Aufgabe des Managements ist es, zuzuhören. Unternehmen, die dieses Format nutzen, profitieren doppelt: Die Führungskraft erfährt, was die Belegschaft bewegt, und die Mitarbeitenden fühlen sich gehört.

Wichtig ist, dass den angesprochenen Problemen nachgegangen wird und diejenigen, die Feedback geben, selbst Rückmeldung erhalten. Nur so kann Vertrauen in die Ernsthaftigkeit der Bemühungen entstehen.

Beteiligung der Mitarbeitenden: Ideen für die Transformation

Laut Wagner ist das gemeinsame Suchen nach nachhaltigen Lösungen entscheidend, um auf Dauer Akzeptanz und Unterstützung der Belegschaft für Nachhaltigkeit zu gewinnen. „Wenn ich partizipative Prozesse anstoße, die unterhalb der Geschäftsführung versanden, säe ich nur Frustration.“ Die Menschen müssten sehen, dass ihre Anregungen etwas verändern. Das bedeutet nicht, dass das Unternehmen basisdemokratisch geführt werden muss. „Es ist völlig in Ordnung, Dinge anzuordnen. Aber wo wir zu Nachhaltigkeit noch keine Lösungen haben, müssen wir gemeinsam suchen. Und das setzt tatsächliche Offenheit voraus“, sagt Wagner. 

Eine Möglichkeit, viele innovative Ideen zu sammeln, liegt darin, die Beschäftigten um ihre Ideen zu bitten. Dabei ist es wichtig, mögliche Stolpersteine zu berücksichtigen:

  1. Ressourcen für die Auswertung: Solch eine Aktion kann viele Vorschläge hervorbringen, die sorgfältig bearbeitet werden müssen. Nur Unternehmen, die dafür die Kapazität haben, sollten sie starten.
  2. Umsetzung der Ideen: Werden nur wenige Ideen umgesetzt, kann Frustration entstehen. Es muss also Bereitschaft zur Umsetzung bestehen, und die Belegschaft sollte informiert werden, was aus ihren Vorschlägen geworden ist.
  3. Gezielte Aktionen: Oft ist es sinnvoller, gezielte Aktionen für bestimmte Abteilungen oder Probleme durchzuführen. Etwa könnte die Produktion speziell um Ideen zum Thema Ressourcenverbrauch gebeten werden.

Die Rolle des mittleren Managements: Nachhaltigkeit greifbar machen

Eine besondere Rolle bei der Transformation zu Nachhaltigkeit hat für Wagner das mittlere Management. „Sie stecken genau zwischen der Nachhaltigkeitspropaganda von oben und dem Alltag ihrer Mitarbeiter:innen.“ Damit Nachhaltigkeit überhaupt entstehen kann, seien daher drei Faktoren entscheidend: 

  1. Verständlichkeit: Die Ziele und Herausforderungen müssen klar kommuniziert sein.
  2. Umsetzbarkeit: Das (mittlere) Management benötigt die Ressourcen und die Entscheidungsfreiheit, notwendige Veränderungen umsetzen zu können. Ansonsten trifft es immer wieder auf Situationen, die von oben im Sinne des Gewinns entschieden werden.
  3. Sinnhaftigkeit: Die Nachhaltigkeitsbemühungen sollten in einen größeren Kontext eingebettet sein, der Sinn und Orientierung vermittelt – jedoch ohne unrealistische Erwartungen zu wecken. „Wer immer sofort von Weltrettung spricht, macht sich unglaubwürdig“, warnt Wagner.  

Diese Faktoren müssen gegeben sein, damit das mittlere Management glaubwürdig die nötigen Veränderungen unterstützen kann.

Bottom-up-Bewegungen: Netzwerke für Nachhaltigkeit

Ein weiteres hervorragendes Mittel, nachhaltige Veränderung anzustoßen und Skepsis aufzulösen, sind nach Wagners Erfahrung Netzwerke. „Es ist nicht der formelle Arbeitskreis, sondern eine bottom-up-Bewegung von motivierten Leuten. Eine Koalition der Willigen, die offen und kritisch über das Thema sprechen können – die aber auch befähigt sind, Veränderungen anzustoßen.“ 

Ein gutes Beispiel bietet das Unternehmen Parker Hannifin in Kaarst. Walter Krips, Systementwicklungsingenieur im Unternehmen, kam auf die Idee, die Wiese in eine Wildwiese umzuwandeln. Mit Unterstützung der lokalen Ortsgruppe Kaarst des NABU (Naturschutzbund Deutschland) wurde ein Konzept erarbeitet. Zur gleichen Zeit fand sich im Unternehmen ein Team von Freiwilligen zusammen, die den Standort ökologisch verbessern wollten. Gemeinsam entwickelten sie die Idee weiter und setzten sie mit Unterstützung des Managements um. „Das Feedback aus der Belegschaft ist gut. Das hat mir gezeigt, dass es möglich ist, ökologisch etwas zu bewegen“, sagt Krips. Der Erfolg ist ein Anstoß für weitere Maßnahmen. Elektro-Ladesäulen und eine Photovoltaik-Anlage stehen schon auf dem Plan. 

Ein gelungenes Beispiel dafür, dass Nachhaltigkeit erfolgreich ist, wenn sie von allen mitgestaltet wird – Schritt für Schritt, mit Raum für Kritik und neue Ideen.