„Es braucht viel Sensibilität, um möglichst viele abzuholen“
Frau Aspalter, unterscheidet sich interne Nachhaltigkeitskommunikation von der Kommunikation anderer Themen?
Ja, es gibt Unterschiede. Nachhaltigkeit ist sehr präsent in allen Medien und beim Gesetzgeber. Das Thema verlangt Handlungsveränderungen, die auf mehr oder auch weniger Offenheit treffen können. Nachhaltigkeit ist immer schon sehr emotional besetzt.
Viele haben eine Meinung zu Nachhaltigkeit, das macht es nicht immer leicht.
Viele haben eine Meinung dazu, das macht es nicht immer leicht. Außerdem kursieren in den Medien viele „Fakten“ zum Thema, aber nicht immer entspricht alles der Wahrheit. Das ist schon was anderes, als wenn man über Finanzkennzahlen berichtet.
Wie gehen Sie damit um?
Es braucht sehr viel Sensibilität, um möglichst viele abzuholen. Außerdem entwickeln wir gerade eine Basis-Schulung für Sustainability, um unseren Beschäftigten ein gemeinsames Grundverständnis mitzugeben.
Die Nachhaltigkeitsstrategie und was sie für alle anderen bedeutet
Die Strabag will als eines der größten Bauunternehmen Europas bis 2040 klimaneutral sein. Das ist in Ihrer Branche kein leichtes Unterfangen und wird die Baubranche stark verändern. Wie sind Sie den Veränderungsprozess in Ihrem Unternehmen angegangen?
Wir haben eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt, die im Frühjahr 2021 vom Vorstand verabschiedet wurde. Nachdem wir diese in unterschiedlichen Informationsveranstaltungen an das Management und die gesamte Belegschaft kommuniziert hatten, wurden unsere Unternehmens- und Zentralbereiche, wie zum Beispiel Verkehrswegebau oder Hoch- und Ingenieurbau, aufgefordert, diese Strategie auf ihren Arbeitsbereich herunterzubrechen und sich eine Strategie zu überlegen, wie sie zur allgemeinen Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens beitragen können. Anschließend wurden in Roadmap-Workshops mit Manager:innen und Expert:innen der einzelnen Bereiche Maßnahmenpläne erarbeitet. Wir im Sustainability-Management agieren als zentrale Stelle für das Thema Nachhaltigkeit und unterstützen die operativen Einheiten. Das heißt, konkrete Maßnahmen und Ideen werden von den Expert:innen in den operativen Einheiten eingebracht. Gleichzeitig hilft diese Einbindung, die Akzeptanz zu stärken. Da sind sehr gute Maßnahmen gesammelt worden, die bereits in den Unternehmens- und Zentralbereichen in Umsetzung oder geplant sind. Ich spreche von „wir“, denn wir sind im zentralen Sustainability Management mittlerweile über 20 Personen und leiten diese Einheit zu fünft mit jeweils unterschiedlichen Verantwortlichkeiten.
Welche Rolle spielen die Mitarbeitenden für die Nachhaltigkeitsstrategie?
Unsere Nachhaltigkeitsziele sind äußerst ambitioniert. Ohne die gesamte Belegschaft können wir das nicht schaffen. Hier ist viel Bewusstseinsarbeit nötig, um deutlich zu machen, welche Maßnahmen getroffen werden müssen. Wir erklären, warum das nötig ist und welche Anforderung seitens des Gesetzgebers bestehen. Dieser übt viel Druck auf unser Unternehmen aus – für uns als zentrales Sustainability Management ist der Druck aber auch teilweise Rückenwind.
Wie gehen Sie mit Widerständen um?
Ein Konzern wie unserer mit 86.000 Beschäftigten spiegelt die Gesellschaft mit verschiedenen Meinungen wider. Da ist es klar, dass es Widerstände gibt. Die müssen gut betrachtet und ernst genommen werden. Und Einwände sind ja nicht immer unberechtigt. Wichtig ist, dass wir darauf eingehen.
Einwände sind ja nicht immer unberechtigt. Wichtig ist, dass wir darauf eingehen.
Wir haben uns kürzlich in einem Workshop mit den Phasen des Change-Prozesses auseinandergesetzt, damit wir die Belegschaft besser verstehen und abholen können. Es ist gut zu wissen, dass es auch eine Phase der Wut gibt, wenn jemand eine große Veränderung vor sich hat. Das muss man der Person dann auch zugestehen.
Nachhaltigkeit in alle Ecken des Unternehmens bringen
Die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie ist intern eine große Transformation. Wie sorgen Sie dafür, dass die Transformation das ganze Unternehmen durchzieht?
Es war für uns eine wichtige Frage, wie unsere Governance-Struktur aussehen soll. Also: Wie können wir das Thema Nachhaltigkeit in alle Ecken des Konzerns bringen? Wir haben dafür zu den bestehenden Strukturen zwei Gremien geschaffen. Zum einen gibt es das „Netzwerk Nachhaltigkeit“. Ihm gehört ein Nachhaltigkeitsbeauftragter aus jedem Unternehmens- und Zentralbereich an. In vier Netzwerktreffen pro Jahr tauschen wir uns darüber aus, was wir erreicht haben, welche Anforderungen auf uns zukommen und welche Best Practices es gibt. Fast jeder Unternehmens- und Zentralbereich hat inzwischen wiederum ein eigenes Netzwerk, so dass sich das durch die gesamte Organisation zieht. Als weiteres zentrales Gremium haben wir ein Steering Committee Sustainability. Hier legt unser CEO als Vorsitzender mit Unternehmens- und Zentralbereichsleiter:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen Standards, Policies und weiteres fest oder erarbeitet Entscheidungsgrundlagen für den Vorstand. Wir nutzen also die Ebene des Top-Managements und die Ebene des operativen Geschäfts, damit Nachhaltigkeit in der ganzen Organisation verankert ist.
Wie gehen Sie mit Wünschen aus der Belegschaft um, sich für ein Nachhaltigkeitsthema zu engagieren – auch wenn es vielleicht aus geschäftlicher Sicht gar nicht wichtig ist?
Wir fokussieren uns stark auf die Wesentlichkeitsanalyse, welche die Basis im Nachhaltigkeitsmanagement ist: Wo haben wir die größten Auswirkungen und können das meiste bewirken? Aber man muss den Mitarbeitenden Berührungspunkte geben, deshalb können auch Aktionen, die ihren Alltag direkt betreffen, sehr wichtig sein. Ein Beispiel: Natürlich sind die Emissionen der Dienstreise mit dem Flugzeug im Vergleich zu den Emissionen der Baumaschinen bei uns gering. Dennoch fahren wir im Sustainability Team zum Beispiel von Wien zu unseren Kolleg:innen in Stuttgart, wenn immer es uns möglich ist, mit dem Zug. Wir haben hier eine Vorbildwirkung und müssen plausibel und authentisch agieren. Sonst verlieren wir die Belegschaft.
Wir haben hier eine Vorbildwirkung und müssen plausibel und authentisch agieren. Sonst verlieren wir die Belegschaft.
Vorbild sein, ohne zu missionieren: Nachhaltigkeit im Unternehmen
Sie sagten eingangs, dass Nachhaltigkeit auch sehr emotional besetzt ist. Wie emotional ist das Thema denn bei Ihnen?
Ich bin stark intrinsisch motiviert und richte mein eigenes Leben auf Nachhaltigkeit aus. Aber ich habe gelernt, dass es im Beruf nicht zielführend ist, missionarisch zu sein. Wer nüchtern mit Fakten argumentiert, erreicht viel mehr. Ansonsten involviert man sich emotional zu sehr und agiert nicht professionell. Wir haben hier ein großartiges Team mit einem gemeinsamen Verständnis. Das hilft dabei, sich gegenseitig zu unterstützen und emotional aufzufangen.
Das klingt so, als gebe es manchmal auch frustrierende Momente.
Ja, auf jeden Fall, aber das ist bei diesem Thema ganz normal. Als Nachhaltigkeitsmanagerin muss man mit Rückschlägen umgehen können und sich an den kleinen Erfolgen festhalten. Dennoch geht es in die richtige Richtung, das ist das Entscheidende.
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