„Konsum ist Stimme und Hebel des Individuums“

Frau Friedrichs, was hat Sie dazu inspiriert, guud zu gründen?
Mich hat schon immer fasziniert, welchen Einfluss unsere Konsumentscheidungen auf Städte, die Wirtschaft und die Welt haben können. Das Thema Benefits kannte ich bereits von einem alten Arbeitgeber, wo ich selbst eine Sachbezugskarte und einen Lunchzuschuss eingeführt habe. Später habe ich bei der Genossenschaft Future Cooperative gearbeitet, die eine Map mit nachhaltigen Orten erstellt: Wo kann ich Bio kaufen, wo kann ich etwas reparieren lassen, wo Second Hand kaufen? Später begann ich beides zusammenzudenken und fragte mich, was wäre, wenn man Mitarbeitenden Benefits gibt, die deren nachhaltigen Lebensstil fördern. So haben wir 2021 mit guud angefangen.
Nachhaltige Benefits zwischen Werten und Impact
Zum Angebot von guud Mitarbeitende bekommen mit der guudcard – einer Sachbezugskarte – vom Arbeitgeber 50 Euro pro Monat für den Einkauf. Dazu erhalten sie per App eine Übersicht an nachhaltigen Orten, die nach den Kriterien der Future Maps geprüft sind. Darüber hinaus können sie kulturelle Angebote, Sporteinrichtungen und Mobilitätsmittel nutzen. Über die App will guud seine Nutzer:innen inspirieren, indem sie ihnen Orte vorschlagen oder sie über Kriterien des Netzwerks und den Impact ihres Konsums aufklären. Und für besondere Anlässe gibt es den guudschein, den Mitarbeitende bei über 40 nachhaltigen Online-Shops einlösen oder als Spende abgeben können. |
Worum geht es Ihnen bei Corporate Benefits?
Viele Unternehmen wollen ihren Mitarbeitenden nicht nur etwas Gutes tun, sondern auch Angebote machen, die den eigenen Werten entsprechen. In den letzten Jahren hat neben dem Thema Nachhaltigkeit auch die regionale Förderung an Bedeutung gewonnen – besonders in der Coronapandemie. Wie können wir also dafür sorgen, dass kleine Geschäfte oder Restaurants schwierige Zeiten überleben? Diese Vorstellung wollen wir noch mehr in Benefits integrieren.
Warum sollten Unternehmen gerade mit Ihnen zusammenarbeiten?
Mit guudcard und guudschein bieten wir einfache und effektive Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Employer Branding ist ein großes Thema, schließlich wollen sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben. Außerdem ist mit der Nutzung von unserer Bonuskarte ein klarer Steuervorteil verbunden, der deutsche Staat unterstützt Konsum über den steuerfreien Sachbezug. Des Weiteren können Unternehmen unsere Karte als Maßnahme im Nachhaltigkeitsbericht erwähnen und Mitarbeitende für das Thema sensibilisieren . Nicht zuletzt ist das Ganze einfach zu handhaben.
Was für Unternehmen nutzen Ihre Angebote?
Vom Fahrradladen bis zum großen Konzern ist alles dabei, mit unterschiedlichen Motiven. Während kleinere Unternehmen einen Benefit wollen, der für alle Mitarbeitenden relevant ist, steht bei größeren Unternehmen oft die Nachhaltigkeitsmaßnahme – eingebettet in andere Maßnahmen – im Vordergrund. Sie nutzen den Benefit für Employer Branding und externe Kommunikation.
Nachhaltigkeit bleibt wichtig, aber…
Arbeitnehmer:innen forderten Nachhaltigkeit, heißt es auf Ihrer Website. Wie nehmen Sie die Stimmung aktuell wahr?
Vor der Coronapandemie, in der großen Welle von Fridays for Future, war das Thema sehr präsent. In den jüngsten Krisen hat sich das verändert. Vielen Unternehmen ist Nachhaltigkeit weiterhin wichtig, besonders in städtischen Gebieten mit jüngeren Mitarbeitenden und einem nachhaltigen Unternehmensmodell. Grundsätzlich finden alle Nachhaltigkeit gut, niemand sagt etwas dagegen.
Aber?
Wir merken auch bei größeren Unternehmen, dass Nachhaltigkeit wegen des Aufwands durch Regulatorik wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) einen negativen Touch bekommt. Unternehmen fürchten die Skepsis ihrer Mitarbeitenden und diese wiederum sind ebenfalls verunsichert. Es müssten sich alle einfach mehr trauen – wir sehen, dass dieser Mut von Mitarbeitenden honoriert wird.
Geht es darum, den Lebensstil von Menschen zu beeinflussen, machen manche schnell dicht, weil sie sich bevormundet oder eingeschränkt fühlen. Wie gehen Sie damit um?
Der Umgang mit dem Wort Nachhaltigkeit ist schwierig geworden, weil viel hineinprojiziert wird. Wir haben nicht weniger Auswahlmöglichkeiten als die Wettbewerber. Wenn Menschen bei großen Marken und Einzelhandelsketten einkaufen können, nehmen sie das nicht als Einschränkung wahr. Sehr wohl aber fühlen sie sich gepusht, wenn sie beim nachhaltigeren Einzelhandel oder bei nachhaltigen Brands einkaufen können. Wir versuchen diesem Gefühl begegnen, in dem wir unsere Angebote so flexibel wie möglich gestalten.
Laut einer Studie von Utopia ist das Preisbewusstsein von Konsument:innen in Krisenzeiten gestiegen, was auch den nachhaltigen Konsum beeinflusst. Wie viel Geld ist noch für nachhaltigen Konsum übrig?
Unsere Chance beim Thema Benefits: Es ist on top zum Gehalt! Ein Bonus, den Arbeitgeber vergeben können, und ein Mechanismus, der die Werte des Unternehmens unterstützt. Sei es die Bionahrung oder nachhaltige Kleidung: Nachhaltiger Konsum geht oft mit höheren Kosten einher. Gerade dann ist es umso wichtiger, dass der Arbeitgeber das fördert. Und nur, weil wir Krisen und Inflation durchleben, bedeutet das nicht, dass wir deshalb gleich unsere Werte über Bord werfen sollen.
Wie viel Macht steckt im Konsum?
Hier spielen die Regierung, Unternehmen, aber auch jede:r Einzelne eine Rolle. Konsum ist die Stimme und der Hebel des Individuums für eine lebenswerte Zukunft. Welchen Unternehmen wir unser Geld geben oder was wir einkaufen, hat enormen Einfluss. Ein Beispiel: Der Fleischkonsum geht zurück und Hafermilch ist aus Cafés und Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Die großen Trends werden garantiert weitergehen.
Die Zukunft des nachhaltigen Unternehmertums
Wie messen Sie den Erfolg bei Ihren Kundenunternehmen?
Aktuell erheben wir noch Daten und haben deshalb keine spruchreifen Ergebnisse. Aber mit Blick auf das Bewusstsein merken wir, dass Menschen mit unserem Angebot neue Orte ausprobieren und ihr Einkaufsverhalten dahingehend verändern, dass sie mit dem Geld auf ihrer Karte beispielsweise immer wieder zu einem Bio-Supermarkt gehen. Das ist genau der Effekt, den wir erzielen wollen.
Sie haben Ihr Unternehmen nach den Prinzipien des Verantwortungseigentums gegründet. Was bedeutet das?
Aktuell sind wir noch eine klassische GmbH, die jedoch bei allem, was sie tut, nach Verantwortungseigentum ausgerichtet ist: Wie wir Geld aufnehmen, wie wir Mitarbeitende einstellen und wie Stimmrechte verteilt sind. Von Anfang an steht für uns die Vision im Vordergrund, Menschen für einen nachhaltigen Lebensstil zu begeistern. Im Start-Up-Umfeld haben meine Mitgründerin Susanna Mur und ich miterlebt, wie eine Vision durch äußere Einflüsse, einen stärkeren Fokus auf Profit und schnelles Wachstum in den Hintergrund rücken kann. Schon vor sechs Jahren sind wir in Berührung mit Verantwortungseigentum gekommen. Mit diesen Werten können wir uns absolut identifizieren, auch weil solche Unternehmen eine enorme Glaubwürdigkeit versprühen.
Wie wollen Sie langfristig am Markt bleiben?
Purpose over Profit heißt nicht, dass Profit auf einmal irrelevant wird. Auch bei uns spielt Wirtschaftlichkeit eine große Rolle, der Schritt hin zur Profitabilität ist sehr wichtig. Wir sind aber ein schlankes Team und haben uns bewusst gegen das klassische „höher, schneller, weiter“ entschieden, hin zum nachhaltigen Wachstum. Bisher zahlt sich das aus. Zwar wird Nachhaltigkeit in der Unternehmenslandschaft nicht mehr so hoch aufgehängt wie vor ein paar Jahren, aber durch unsere Glaubwürdigkeit und Flexibilität und die Vielzahl an Einlöseoptionen schaffen wir ein Angebot, was Unternehmen annehmen. Das stimmt uns zuversichtlich.
Wohin geht Ihre Reise in Zukunft?
Neben Mobilität und Sport wollen wir weitere Optionen anbieten, beispielsweise wird zeitnah das Thema Lunch hinzukommen. Unser Fokus darauf, viele gute Partner zu gewinnen. Besonders im Marketing und Vertrieb stehen wir noch am Anfang und wir haben viel ungenutztes Potenzial. So wollen wir das Produkt mit dem Feedback vom Markt weiter ausbauen und für Unternehmen noch attraktiver machen.
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