Was bedeutet Corporate Citizenship?

Können Unternehmen eine Rolle einnehmen, die mit engagierten Bürger:innen vergleichbar ist? Weshalb sollten sie dies tun? Und wie hängt der Begriff der Corporate Citizenship mit Corporate Social Responsibility zusammen? Sicher ist jedenfalls: Unternehmerisches Bürgerengagement hat in Deutschland eine lange Tradition.

Corporate Citizenship – dieser Terminus beschreibt ein besonderes gesellschaftliches Engagement von Unternehmen, die sich gewissermaßen als „gute Bürger:innen” gerieren. Sie erreichen dies typischerweise nicht nur über Spenden und Sponsoringbeiträge, sondern auch über Stiftungen oder die Überstützung gemeinnütziger Aktivitäten ihrer Mitarbeitenden. Das klingt alles nicht sonderlich neu und in der Tat gibt es eine ganze Reihe von Überschneidungen sowohl zu historischen Phänomenen als auch zur Corporate Social Responsibility (CSR).

Wo aber liegen nun die Unterschiede zwischen Corporate Citizenship und CSR? Tatsächlich wurden die beiden Begrifflichkeiten zeitweise synonym verstanden – was allerdings immer wieder problematisch wird. Die Gleichsetzung halten nämlich viele bereits für Greenwashing, wenngleich die beiden Bereiche selbstverständlich Überschneidungen aufweisen.

Die politische Verantwortung von Unternehmen ist auch Thema im Haufe-Podcast Shifting Minds:

Viel Freiheit, sich zu engagieren

Das "unternehmerische Bürgerengagement", wie sich Corporate Citizenship auf deutsch übersetzen lässt, verfolgt im Unterschied zur Corporate Social Responsibility einen Ansatz, der auf Freiwilligkeit basiert. Das ergibt sich bereits aus dem Wortsinn: Verantwortung versus reinem Bürgerstatus.

Der wesentliche Unterschied zwischen Corporate Citizenship und CSR liegt damit nicht auf den Maßnahmen und Inhalten, die sich überschneiden können, aber nicht müssen, sondern in der Motivation: Während das eine auf Eigeninitiative baut – und damit eben in die Nähe von Marketing und unter Greenwashingverdacht rückt – ist das andere eine gesetzliche Verpflichtung für eine Reihe von Unternehmen.

Die frühen Corporate Citizens brachten wichtige Errungenschaften

Die Vorstellung, dass Unternehmen nicht nur Gewinne erwirtschaften sollten, sondern auch einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten haben, gibt es in Deutschland etwa seit einhundert Jahren. Beginnend mit der Industrialisierung begannen Unternehmer:innen damit, sich mit sozialen Themen, überwiegend ihrer eigenen Belegschaft und deren Familien, auseinanderzusetzen.

Historiker:innen beschreiben diese frühe Phase von Corporate Citizenship – etwa mit der Gründung von Schulen oder dem Bau von Wohnungen – als einen Prozess, der auf der Überzeugung fußte, dass Vertrauen „eine wichtige Währung für Kunden, Geschäftspartner, Mitarbeiter und politische und soziale Akteure" sei. Die "Corporate Citizens" dieser Zeit hätten in Zusammenarbeit mit Politik und Zivilgesellschaft viele sozialstaatliche und arbeitsrechtliche Errungenschaften geprägt, so der geschichtswissenschaftliche Konsens.

Es seien beispielsweise die Genossenschaftsbewegung, aber auch erste sozialstaatliche Ansätze wie die Einführung von Renten-, Kranken- und Unfallversicherungen ein direktes Ergebnis der frühen Zusammenarbeit zwischen engagierten Unternehmer:innen und der Politik, meinen die Expert:innen. Die Ökologie kommt als Themenbereich übrigens erstmals in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ins Spiel.

Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility 

Seit den 90er Jahren ist der Gedanke der gesellschaftsfördernden Rolle fest in den CSR verankert, die schlichtweg der Überzeugung geschuldet sind, dass die großen globalen Fragen und Probleme nicht ohne die Hilfe des wichtigen Akteurs der Wirtschaftsunternehmen gelöst werden können. Dabei hat sich das Verständnis zwischenzeitlich aber gewandelt, wie Historiker:innen wissen: Während CSR zu Beginn als Legitimierung des unternehmerischen Handelns gegenüber der Gesellschaft („licence to operate") galt, setze sich inzwischen die Deutung durch, dass Unternehmen als integraler Bestandteil des Gesamtsystems Gesellschaft in ein Netz von Anspruchsgruppen (Stakeholder) eingebunden sind. 

Ob die Vorstellung, dass Geschäftsmodelle generell am Grundsatz der Verantwortlichkeit ausgerichtet sein müssen, noch den Gedanken der Corporate Citizenship verwirklicht oder schon darüber hinausgeht – denn auch moralisch vorbildliche Bürger:innen leben selten zuvorderst gemäß diesem Grundsatz – soll hier offen bleiben.

Fünf Phasen der Corporate Citizenship

Jenseits der generellen Einordnung der Begrifflichkeiten steht fest, dass sich Corporate Citizenship in mehrere Phasen einteilen lässt. Häufig ist von den fünf Phasen der Corporate Citizenship die Rede. Treffend ist vielleicht auch der Begriff „Stufen der Corporate Citizenship". 

Phase eins wird jedenfalls als „elementare Phase" bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt fehlt im Grunde noch das Bewusstsein, und das Thema ist weitgehend undefiniert, insbesondere seitens der Geschäftsleitung. In Phase zwei (Engagement) erkennen Unternehmen, dass sie gefordert sind und entwickeln Konzepte und Policies, die die gesetzlichen Verpflichtungen übertreffen. Phase drei – die Innovation – ist gekennzeichnet von Meetings und Workshops. 

Die vierte Phase schließlich wird als „Integration" beschrieben. Die Unternehmen standardisieren ihre Anstrengungen, integrieren sie in verschiedene Abteilungen und Bereiche und controllen die Resultate. In der fünften und letzten Phase, der „Transformation", herrscht das geteilte Bewusstsein dafür, dass Corporate Citizenship integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie ist. All ihre Vorteile sind von den Beteiligten erkannt und dementsprechend groß ist das Commitment innerhalb der Organisation.

Beispiele für gute Corporate Citizenship

Gerade die letzte Phase wirft die Frage nach gelungenen Beispielen für eine gute Corporate Citizenship auf. In der Literatur wird zwischen „Corporate Giving", „Corporate Foundations", „Public Private Partnership", „Cause Related Marketing" und „Corporate Volunteering" unterschieden. Der erste Begriff erklärt sich selbst: Hier geht es um Spenden und Zuwendungen. Bei den Stiftungen kommt es darauf an, dass diese hauptsächlich vom Unternehmen finanziert sind und einem gemeinnützigen Zweck dienen. 

Zu den größten deutschen Stiftungen zählen die Bertelsmann-Stiftung oder die Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Beide engagieren sich beispielsweise stark im bundesweiten Bildungsbereich. Daneben gibt es aber auch zahlreiche Stiftungen kleineren Zuschnitts, die zum Beispiel regionale Projekte unterstützen. Anders als die Stiftung verfolgt die Public Private Partnership (PPP) zwar auch karitative Ziele, arbeitet dabei aber mit einer gemeinnützigen Organisation zusammen.

Cause Related Marketing wiederum verknüpft den Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung mit einem sozialen Zweck – im Sinne von „wir pflanzen Bäume, statten Schulen aus, leisten Entwicklungshilfe": Ein Teil des Verkaufspreises fließt in ein gemeinnütziges Projekt. Stärker innerhalb der Organisation selbst wirkt das „Corporate Volunteering", bei dem es darum geht, den Mitarbeitenden Zeit einzuräumen, in der sie sich sozial engagieren können.

Gemeinsam ist all diesen Beispielen für Corporate Citizenship, dass sie dazu beitragen, das Unternehmensimage zu fördern. Dies wirkt sich sowohl auf die Kundenbindung als auch auf Employer Branding aus und kann so mittel- und langfristig nicht nur der Gesellschaft dienen, sondern auch ganz konkret den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens.


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