Dr. Manuel Schütt, Ass. jur. David von Varendorff
Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen des 21. Jahrhunderts. Die ökologischen und sozialen Probleme der Gegenwart und Zukunft stellen das moderne Wirtschafts- und Rechtssystem vor immer neue Herausforderungen. Seit längerer Zeit werden nicht nur in der Wissenschaft die Herausforderungen und Chancen unter dem Stichwort der Nachhaltigkeit diskutiert. Seit mehreren Jahren hat sich auch die Europäische Union diesem Thema angenommen, um einen gemeinschaftlichen Ausgleich zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit im europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten. Das hat dazu beigetragen, dass die Regelungsdichte in den Bereichen Corporate Social Responsibility (CSR) und Environmental Social Governance (ESG) stetig zugenommen hat: Als Beispiele seien für Deutschland nur das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz oder das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz genannt. Im Jahr 2022 führte die Europäische Union mit der Corporate Social Responsibility Directive die unternehmensbezogenen Berichtspflichten im Europäischen Wirtschaftsraum einer weiteren Vereinheitlichung zu.
Die ambitionierten Ansätze der EU wurden in der Vergangenheit überwiegend positiv bewertet und begrüßt. Das hat sich inzwischen geändert. Vermehrt stoßen Nachhaltigkeitserwägungen in Form der Berichterstattung auf immer mehr Kritik in den Mitgliedstaaten, weil die praktische Umsetzung die betroffenen Unternehmen mit kaum zu bewältigenden Herausforderungen und nur schwer zu überblickenden Risiken konfrontiert. In Deutschland sorgt man sich nicht nur, dass die europäischen Nachhaltigkeitsvorgaben der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts schaden könnten. Jüngsthin hat sich auch der Bundesrat in die Debatte eingeschaltet, indem er sich nicht nur dezidiert für eine praxisgerechte und verhältnismäßige Vereinfachung der europäischen Regelungen aussprach, sondern die Bundesregierung auch noch einmal ausdrücklich darum bat, sich in Brüssel für eine Änderung der CSR-Richtlinie einzusetzen. Denn Unternehmen haben im Bereich der Nachhaltigkeit schon jetzt zahlreiche Berichtspflichten zu erfüllen, die den Wirtschaftsstandort vor immer neue Herausforderungen stellen, weil sie Risiken und Chancen zugleich darstellen. Mit der Ausweitung der Berichtspflichten auf immer größere Kreise droht nicht nur kurzfristig eine Überforderung einzelner Unternehmen. Es ist schon jetzt absehbar, dass die inhaltlichen Anforderungen der Berichterstattung mittelfristig immer mehr Ressourcen in der Unternehmenskoordination und -verwaltung binden werden.
Die CSRD ist und bleibt der Schlüssel zum Verständnis der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Richtlinie hat die Vorgaben für die unternehmensbezogene Berichterstattung tiefgreifend verändert, die seit 2013/14 einheitlich im Europäischen Wirtschaftsraum gelten: Mit der neuen CSRD wird nicht nur der Anwendungsbereich der unternehmensbezogenen Berichtspflichten auf große Teile der europäischen Unternehmen ausgedehnt. Es werden auch die inhaltlichen Anforderungen an die unternehmensbezogene Berichterstattung vereinheitlicht. Die Mitgliedstaaten sollten die europarechtlichen Regelungen, je nach Unternehmensgröße, für die ersten Unternehmen bereits ab dem 1.1.2024 anwenden. Die europäischen Mitgliedstaaten müssen die neuen Vorgaben jedoch zunächst in nationales Recht umsetzen: Dies sollte spätestens bis zum 6.7.2024 geschehen. Bis jetzt kamen weder Deutschland noch sämtliche andere Mitgliedstaaten dieser europäischen Vertragspflicht nach.
Inzwischen hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) einen Referenten- und einen Regierungsentwurf vorgelegt, mit dem die wesentlichen Vorgaben der Richtlinie in eine neue Fassung des HGB übertragen werden sollen. Die Einführung der neuen Berichtspflichten ist für alle Beteiligten mit nicht zu unterschätzenden Risiken und einem erheblichen Erfüllungsaufwand verbunden. Unternehmen und beteiligten Personen drohen in Zukunft nicht nur empfindliche Strafen sowie hohe Buß- und Ordnungsgelder, wenn sie unrichtige Angaben machen oder den formalen und inhaltlichen Vorgaben zuwider handeln. Die Erfüllung der neuen Berichtspflichten wird in Zukunft auch einen ganz erheblichen Kosten- und Verwaltungsaufwand erfordern. Das gilt nicht nur für die Verwaltung (mind. 4,9 Mio. EUR), sondern auch für eine Vielzahl betroffener Unternehmen (mind. 1,58 Mrd. EUR). Allein für die Durchführung von Buß- und Ordnungsgeldverfahren rechnet das BMJ mit einem zusätzlichen IT- und Personal-Aufwand in Höhe von mehreren zehn- bis hunderttausend Euro pro Jahr.
Sowohl der Referenten- als auch der Regierungsentwurf orientiert sich im Wesentlichen 1:1 – mitunter nahezu wörtlich – an den Vorgaben der CSR-Richtlinie. Das gilt insbesondere für Inhalt und Form der Berichterstattung. Die allgemeine Pflicht zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten wird in Zukunft in § 289b HGB-E (Unternehmen) und § 315b HGB-E (Konzerne)