Beitragsrechtlich muss zwischen einer echten Nettolohnvereinbarung und einer fingierten Nettolohnvereinbarung unterschieden werden.
2.3.1 Echte Nettolohnvereinbarung
Unter einer Nettolohnvereinbarung ist die Abrede zwischen den Parteien eines Beschäftigungsverhältnisses zu verstehen, nach der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzliches Arbeitsentgelt zuwendet. Die Zuwendung erfolgt dadurch, dass er auch die Lohnsteuer bzw. die zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge trägt.
Wegen der Außergewöhnlichkeit einer Nettolohnvereinbarung und ihrer Folgen ist der Abschluss einer allgemeinen Nettolohnvereinbarung klar und einwandfrei festzustellen.
2.3.2 Irrtümliche Annahme einer Selbstständigkeit: Vereinbarte Vergütung gilt als Bruttoarbeitsentgelt
Eine Nettolohnvereinbarung liegt nicht vor, wenn die Beteiligten zunächst davon ausgegangen sind, der Mitarbeiter stehe nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sondern sei selbstständig tätig. Wird nachträglich z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt, dass die Tätigkeit doch als abhängige Beschäftigung anzusehen war und Versicherungspflicht vorlag, gilt Folgendes: Das ausgezahlte Entgelt bzw. die vertraglich vereinbarte Vergütung stellt das Bruttoarbeitsentgelt dar, aus dem die Beiträge berechnet werden.
2.3.3 Freiwillige Beiträge und Zusatzbeiträge zählen nicht zu gesetzlichen Abzügen
Soweit im Einzelfall bei wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfreien Arbeitnehmern ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart wird, gilt: Die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung zählen nicht zu den gesetzlichen Abzügen und sind somit beim Abtastverfahren nicht zu berücksichtigen. Das gilt auch für die Pflegeversicherungsbeiträge dieser Personen. An dieser Beurteilung ändert auch die Tatsache nichts, dass sie nach § 20 Abs. 3 SGB XI in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind.
Ein von der Krankenkasse erhobener Zusatzbeitrag zählt ebenfalls nicht zu den gesetzlichen Abzügen.
Ermittlung des Arbeitsentgelts bei Nettolohnvereinbarung eines krankenversicherungsfreien Arbeitnehmers
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren ein monatliches Nettoarbeitsentgelt i. H. v. 4.000 EUR. Der Arbeitnehmer ist 40 Jahre, ledig und hat keine Kinder. Für ihn gilt die Steuerklasse I und es ist Kirchensteuer (9 %) zu entrichten.
Es erfolgt die gleiche Vorgehensweise wie in dem Beispiel oben. Allerdings werden bei den einzelnen Schritten keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung angesetzt.
Rechtsprechung zum "unmöglichen Nettoentgelt"
Das Bundessozialgericht hat den Begriff des "unmöglichen Nettoentgelts" geprägt. Dieses spielt bei der Frage eine Rolle, ob bei einer Nettolohnvereinbarung die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge auf das regelmäßig erzielte Jahresarbeitsentgelt anzurechnen sind. Danach kann bei der Hochrechnung in dem Bereich des "unmöglichen Nettoarbeitsentgelts" nicht gleichzeitig sowohl über die Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts als auch über die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze entschieden werden. Über das Bestehen von Versicherungspflicht ist vorab zu entscheiden. Ergibt diese Berechnung, dass Krankenversicherungsfreiheit besteht, ist das renten- und arbeitslosenversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelt im Rahmen des Abtastverfahrens nur unter Berücksichtigung von
- Lohnsteuer,
- ggf. Kirchensteuer,
- ggf. Solidaritätszuschlag sowie
- der Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge
zu ermitteln.
2.3.4 Fingierte Nettolohnvereinbarung bei Steuer- und Beitragshinterziehung
Eine fingierte Nettolohnvereinbarung liegt vor, wenn bei illegaler Beschäftigung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind.
Nach der Gesetzesbegründung entspricht es der Erfahrung, dass eine illegale Beschäftigung gegenüber der Sozialversicherung oder der Finanzbehörde verborgen wird. Dem illegalen Arbeitnehmer fließt jedenfalls bei Nichtabführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen wirtschaftlich ein Nettoarbeitsentgelt zu. Dies soll daher der Berechnung des Bruttoarbeitsentgelts zugrunde gelegt werden, auch wenn der Nachweis einer solchen Vereinbarung nicht erbracht werden kann.
Illegale Beschäftigung umfasst alle Fälle der Beitragshinterziehung
Die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV spricht von illegaler Beschäftigung. Im Rechtssinne wird der Terminus der illegalen Beschäftigung für die nicht ordnungsgemäße Beschäftigung von Ausländern verwandt. Die fingierte Nettolohnvereinbarung ist jedoch nicht auf diesen Tatbestand beschränkt. Vielmehr ist der Begriff der illegalen Beschäftigung i. S. d. § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV umfassend auszulegen. Er erstreckt sich damit auf alle Fälle der Beitragshinterziehung, also auch auf die klassische Schwarzarbeit.