Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckungssache. Pfandfreier Betrag und Taschengeldpfändung. Forderungspfändung. Taschengeldanspruch des Schuldners
Leitsatz (amtlich)
Ein Taschengeldanspruch des Schuldners gegenüber seinem unterhaltsverpflichteten Ehegatten unterliegt jedenfalls dann nicht der Pfändung durch einen (nicht nach § 850 d ZPO bevorrechtigten) Gläubiger, wenn der Unterhaltsanspruch insgesamt – einschließlich des Anspruchs auf Taschengeld – die Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO nicht übersteigt.
Normenkette
ZPO §§ 850b, 850c; BGB §§ 1360, 1360a
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Aktenzeichen 1 T 35/2000) |
AG Langenburg (Aktenzeichen 1 M 378/99) |
Gründe
Aus den Gründen:
1. Die Gläubigerin betreibt aus einem Vollstreckungsbescheid von 1987 die Zwangsvollstreckung. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hat das Vollstreckungsgericht – nach Anhörung der Ehefrau des Schuldners als Drittschuldnerin – den sogenannten Taschengeldanspruch des Schuldners gegenüber seiner Ehefrau in Höhe von 5 % ihres Nettoeinkommens (in Höhe von monatlich 2.800,– DM) zu 7/10 gepfändet, ebenso einen damit im Zusammenhang stehenden Auskunftsanspruch. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Drittschuldnerin die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Gläubigerin mit der weiteren Beschwerde, mit der sie ihren Pfändungsanspruch weiterverfolgt.
2. Das zulässige Rechtsmittel der Gläubigerin hat keinen Erfolg.
a) Die Gläubigerin legt ihrem Pfändungsbegehren ein monatliches Nettoeinkommen der Drittschuldnerin von 2.800,– DM zugrunde, woraus sie einen Unterhaltsanspruch des Schuldners (gem. §§ 1360, 1360 a BGB) gegen seine Ehefrau i. H. von 3/7, also monatlich 1.200,– DM, errechnet. Nach Ansicht des Gläubigervertreters ist zu diesem Unterhaltsanspruch ein Taschengeldanspruch des Ehegatten, der kein eigenes Erwerbseinkommen hat, i. H. von 5 % des Nettoeinkommens der Ehefrau – hier also 140,– DM –hinzuzurechnen. Dieser Taschengeldanspruch sei i. H. v. 7/10 – hier also 98,– DM – pfändbar, denn insoweit sei nach der Rechtsprechung die Pfändungsfreigrenze nach § 850 c ZPO nicht maßgebend.
b) Der Senat teilt die Ansicht des Landgerichts, dass unter den hier gegebenen Umständen, insbesondere angesichts der Einkommensverhältnisse der Ehegatten, der Taschengeldanspruch des Schuldners nicht der Pfändung unterliegt.
Die Grundsatzfrage nach der Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs, die von der Rechtsprechung unter den Voraussetzungen des § 850 b ZPO auf breiter Front – unter Einschluss des Senats (OLGZ 1983, 347 = MDR 1983, 762 = FamRZ 1983, 940; Rpfl 1987, 466; Rpfl 1997, 447 = FamRZ 1997, 1494) – bejaht wird, hat zwar für die Praxis dadurch, dass sich Stöber (in Zöller, ZPO 22. Aufl., § 850 b Rn 18; Forderungspfändung, 12. Aufl., Rn 1015 e, 1031 a) nunmehr der im Schrifttum seit langem weit verbreiteten Ablehnung (zB Braun NJW 2000, 97 ff; MünchKommZPO/Smid, § 850 b Rn 7) angeschlossen hat, neue Aktualität erhalten. Es bedarf hierzu jedoch keiner weiteren Erwägungen, weil eine Pfändbarkeit im vorliegenden Fall zu verneinen ist.
Die vom Gläubigervertreter verfochtene Auffassung, der Taschengeldanspruch (i. H. von 5 % des Nettoeinkommens des Partners) trete zu seinem Unterhaltsanspruch in Höhe von 3/7 des Nettoeinkommens des Ehemannshinzu (ebenso Claudia Bauer, JurBüro 2001, 15, 16) ist im Ansatz unzutreffend. Vielmehr besteht (wohl) Übereinstimmung darin, dass der Taschengeldanspruchein Teil des Unterhaltsanspruchs des nicht verdienenden Ehegatten ist. Dieser (gesamte) Unterhaltsanspruch ist – wie alle bedingt pfändbaren Ansprüche – nach § 850 b Abs. 2 ZPO zunächst an den Grenzen des § 850 c ZPO zu messen („nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften”; vgl. Zöller/Stöber aaO Rn 16: Behr JurBüro 1997, 121, 123; OLG München FamRZ 1988, 1161, 1163; OLG Celle NJW 1991, 1960; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 727, 728; OLG Köln FamRZ 1995, 309, 310 f; LG Ulm JurBüro 1998, 378; ebenso Senat aaO) Nur der Taschengeldanspruch als Teil dieses Unterhaltsanspruchs ist nicht nochmals an den Pfändungsfreigrenzen zu messen, sondern dem pfändbaren Teil des Einkommens (= Unterhaltsanspruch) zu entnehmen (vgl. die Wertung in § 850 e Nr. 2 ZPO) Aus den vom Gläubigervertreter zitierten Gerichtsentscheidungen lässt sich nichts Anderes entnehmen (auch nicht aus LG Stuttgart, JurBüro 1996, 104; mißverständlich Heilbronn RPfl 1999, 550 aE).
Scheidet eine Pfändbarkeit des gesamten Unterhaltsanspruchs einschließlich des Taschengeldanspruchs schon wegen der „Hürde” des § 850 c ZPO aus, kommt es weder auf die weiteren, auf Billigkeitserwägungen beruhenden Begrenzungen (pfandfreier Selbstbehalt von 3/10, mindestens aber 50 bis 70 DM) noch auf weitere Erwägungen, die Pfändbarkeit auf Fälle mit „besonderen Umständen” zu beschränken (OLG Nürnberg FamRZ 1999, 505 = JurBüro 1998, 662 m), an. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der von der Drittschuldnerin in Bezug genommene Ehevertrag zwischen Schuldner und ...