Prof. Dr. Wolfgang Nicolai
Unter Nutzung der Erkenntnisse aus dem Einzeloutplacement entwickelte sich besonders seit Beginn der 90er Jahre in Deutschland das Gruppenoutplacement, neuerdings hat sich dafür verstärkt der von der Agentur für Arbeit benutzte Terminus Transferagentur oder Transfermaßnahme durchgesetzt. Es ist ein Instrument, um den Personalabbau bei Mitarbeitern, die unter das Betriebsverfassungsgesetz fallen bzw. für die man keine exklusive Einzelberatung ansetzen möchte, sozial verträglich durchführen zu können. Damit soll der Hauptmangel, der mit der betriebsbedingten Kündigung oder deren Ankündigung eintritt, d. h. der Verlust des Arbeitsplatzes, durch zielgerichtete Beratung behoben werden. Der Teilnehmerkreis kann sich je nach der Gruppe der Betroffenen vom mittleren Management bis zum ungelernten Arbeitnehmer erstrecken. Er kann Auszubildende wie auch Schwerbehinderte umfassen. Das Lebensalter der Teilnehmer reicht im Allgemeinen bis Ende der 50er-Jahre, weil ab Beginn der 60er Lebensjahre die Chancen der beruflichen Neupositionierung geringer eingeschätzt werden, bei vielen Mittelständischen und Großunternehmen Frühverrentungs- oder Vorruhestandsmodelle greifen und seit 1.7.2014 nach 45 Beitragsjahren ein vorzeitiger Renteneintritt ohne Abschläge möglich ist.
Der Ort der Durchführung ist in der Regel das auftraggebende Unternehmen, das Beratungsräume und einen Seminarraum zur Verfügung stellt. Der Zeitpunkt des Beginns sollte im Interesse eines hohen Vermittlungserfolgs (Bewerbung aus einer Festanstellung heraus!) so früh wie möglich gewählt werden. Wichtig ist, dass der Teilnehmerkreis für die Beratung im Unternehmen rechtzeitig festgelegt wird. Für die Wahrnehmung von Beratungsterminen erhalten die Ratsuchenden eine Freistellung von der Arbeit, weil sie zu diesem Zeitpunkt meist noch in den Arbeitsprozess integriert sind. Nach den leider letzten Befragungen der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G.I.B.) zum Beschäftigtentransfer wurden über Transferagenturen – vergleichbar mit Gruppenoutplacement – (ohne reine Profilingmaßnahmen) 83 % der Mitarbeiter innerhalb der auslaufenden Kündigungsfristen in neue Arbeit bzw. Existenzgründung gebracht. Im ersten Halbjahr 2010 – Zeit der Wirtschaftskrise – sank diese Zahl auf 58,5 %. Auf diese Quoten wirkt eine ganze Reihe von Einflussfaktoren wie z. B. die gesamtwirtschaftliche und regionale Arbeitsmarktlage, die Altersstruktur, die Qualifikation der Teilnehmer, die tatsächliche Vermittelbarkeit (Gesundheitszustand), die Flexibilität und Mobilität der Teilnehmer u. a.
Nicht selten wird irrtümlich angenommen, dass Gruppenoutplacement ausschließlich Gruppenveranstaltungen beinhaltet. Zumindest bei renommierten Gesellschaften, die sich nicht vorrangig auf die Beratung von Führungskräften ausrichten, ist das nicht zutreffend. Die individuelle Beratung ist auch hier der Schwerpunkt in der Beratung. Der Wortbestandteil "Gruppen" will in diesem Zusammenhang nur sagen, dass es sich um Gruppen von Arbeitnehmern handelt, die von der Personalanpassung betroffen sind. Die wesentlichen Elemente von Gruppenoutplacement können sein:
- Profiling, d. h. Analyse der IST-Situation, des Fähigkeitsprofils, Ermittlung individueller Ziele, Umfeldbedingungen u. a.
- Workshops/Seminare zur beruflichen Orientierung
- Einzelberatung (von der individuellen Bewerbungsstrategie bis zur erfolgreichen Umsetzung)
- Ermittlung eines Qualifizierungsbedarfs und gegebenenfalls Erschließung konkreter Bildungsangebote (bei Förderung nach § 110 SGB III nur bis zum Ausscheiden beim bisherigen Arbeitgeber)
- Jobbörse
- Trainings in Kleingruppen (z. B. Videotraining zum Vorstellungsgespräch)
- Spezialseminare (z. B. Existenzgründerseminare; Bewerben mit 50+).
Die Teilnahme am Gruppenoutplacement insgesamt wie an den einzelnen Elementen ist im Regelfall freiwillig. Z. T. wird die Teilnahmemöglichkeit daran geknüpft, dass die Kandidaten auf eine Kündigungsschutzklage verzichten, dass die Teilnahme in einer Relation zur Abfindung steht oder dass sich vom Personalabbau Betroffene vorher eindeutig zu ihrer Teilnahme erklären müssen. Welche der oben genannten Elemente in ein Projekt integriert werden, ergibt sich aus den Bedingungen vor Ort. Von Fall zu Fall existieren große Unterschiede, die von der Einbeziehung aller Bausteine über die alleinige Durchführung von Workshops zum Bewerbungstraining bis zur vollständigen Konzentration auf die Einzelberatung reichen. Die Gründe für die zahlreichen Varianten resultieren z. B. aus dem Finanzrahmen oder aus dem Wunsch nach absoluter Vertraulichkeit im Beratungsprozess, der sich nicht mit Workshops oder Gruppentrainings verträgt. Zu beobachten ist auch, dass der Begriff Outplacement nicht selten missbraucht wird und selbst einfaches Bewerbungstraining damit aufgewertet werden soll. Die Einschränkung der Förderung nach § 110 SGB III hat auch Konsequenzen für die Gestaltung des Gruppenoutplacement/der Transferagentur, falls die auftraggebenden Unternehmen nicht mehr finanzielle...