Sven Franke, Stefanie Hornung
Die beschriebenen Dimensionen von New Pay beinhalten nicht alle Prinzipien, die bei Gehaltsmodellen in Unternehmen denkbar sind. Um dies zu veranschaulichen nennen wir beispielhaft 3 weitere Prinzipien, die bei New Pay eine Rolle spielen können, aber nicht müssen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Wir zählen sie nicht zu den New-Pay-Dimensionen, da diese Prinzipien entweder ebenso in klassischen Vergütungssystemen auftreten oder bei New Pay eher die Ausnahme darstellen.
3.1 Leistungsorientierung
Jenseits von Fließbandarbeit ist die Leistung von Mitarbeitern nur schwer zu ermitteln – oder zumindest verbunden mit einem hohen Aufwand. Wenn die Einschätzung nur vom subjektiven Eindruck des Vorgesetzen abhängt, der womöglich gar keinen Einblick in den Arbeitsalltag des Mitarbeiters hat, empfinden Beschäftigte das Gehalt mit hoher Wahrscheinlichkeit als ungerecht. Viele New-Pay-Unternehmen bewegen sich entsprechend von der Vorstellung weg, dass sich die Leistung der Mitarbeiter messen lässt. Sie verstehen Leistung als gemeinschaftlichen Wertschöpfungsprozess. Der Beitrag zum Unternehmenserfolg entsteht demnach gerade in der Kollaboration – insbesondere bei Aufgaben, die Kreativität oder Problemlösungskompetenz bedürfen. Gleichzeitig möchten Unternehmen so die Beschäftigten stärker auf die Arbeit für einen gemeinsamen Unternehmenszweck ausrichten. Gleichwohl wäre es falsch zu glauben, dass sich schon alle Unternehmen, die mit New Pay experimentieren, vom Leistungsgedanken gelöst hätten. Das Vertrauen in die Mitarbeiter, dass sie ohne eine monetäre Differenzierung immer die maximale Leistung bringen, ist nicht durchgängig vorhanden. Entscheidend ist dabei: Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass ein Missverhältnis von Vergütung und Leistung eine Gefahr für die Organisation darstellt. Dies gilt insbesondere bei exorbitanten Managergehältern. "Hohe Managergehälter ohne entsprechende Leistung sind eine Verletzung des Leistungsprinzips", erklärt Stefan Liebig vom DIW-Berlin, der auch Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld ist. Das könne die Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter drosseln. "Wenn sich wenige bereichern können, weil das Leistungsprinzip für sie nicht gilt, dann führt das dazu, dass sich Mitarbeiter weniger anstrengen."
3.2 Gleichheit
Gleiches Geld für gleiche Arbeit – das hört sich für die meisten Menschen fair an. Das Problem dabei: Welche Arbeit ist wirklich vergleichbar? Stefan Liebig, Professor für Soziologie und wissenschaftliches Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, spricht in diesem Zusammenhang von einer "gerechten Ungleichheit" (im Vergleich zur "ungerechten Ungleichheit"). Wenn Mitarbeiter mit unterschiedlichen Kompetenzen, Geschlecht oder Erfahrung gleich verdienen, erleben das nicht alle Menschen als gerecht. Tendenziell ist eher das Gegenteil der Fall. Sollten also Berufe mit verschiedenen Anforderungen und Belastungen unterschiedlich honoriert werden? Das entspricht zumindest noch immer einem breiten gesellschaftlichen Konsens, den auch die New-Pay-Vorreiter nicht durchweg hinterfragen.
Ungleichheiten sind nicht per se gerecht oder ungerecht. Bisherige Forschungsergebnisse kommen zu dem Schluss: Eine Bandbreite an Gehältern kann sogar dazu führen, dass sich die Menschen gerechter entlohnt fühlen. Denn darin sehen sie Potentiale der Entwicklung. Vielleicht fehlen hier noch passende Utopien oder Alternativen, wie eine Karriereentwicklung sich jenseits des Gehalts manifestieren kann.
Es gibt zwar New-Pay-Lösungen wie das Einheitsgehalt, die von dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen ausgehen. Kritiker bemängeln jedoch, dass dabei wichtige Aspekte unter den Tisch fallen – beispielweise höhere Belastungen von Mitarbeitern in ihrer Familie (Kinder, Pflege). Somit ist Fairness über Gleichheit auch dann kaum zu erreichen, wenn man sich vom Prinzip der Leistungsorientierung abwendet. Wer sich am Prinzip der Gleichheit orientiert, sollte dies jedenfalls bedenken. Auch Ungleichheiten sind nicht per se gerecht oder ungerecht.
3.3 Einfachheit
Auch ein Gehaltsmodell im Sinne von "Old Pay" kann das Prinzip der Einfachheit erfüllen: Der Mitarbeiter muss gut verhandeln und Argumente einbringen, um ein gutes Gehalt zu erzielen. Gehaltsanpassungen passieren nicht automatisch in einem jährlichen Turnus, sondern je nach Mut der Beschäftigten, sich in eine erneute Verhandlungssituation mit dem Vorgesetzten zu begeben. Bei New Pay tritt dieses Prinzip ebenfalls nicht zwangsläufig auf. Es gibt Gegenbeispiele wie komplizierte Gehaltsformeln oder Abstimmungsprozesse über Peer-Einschätzung. Andererseits gibt es Gehaltsmodelle, die den hohen Aufwand einer zweifelhaften Leistungsmessung durch ein einfaches System, das Zeit spart, ersetzen. Dies ist z. B. beim Einheitsgehalt oder beim Wunschgehalt der Fall.