New Pay - Vergütung neu denken
Vergütung signalisiert, welches Verhalten in Organisationen belohnt wird und welches nicht. Sie ist somit ein zentrales Leitsystem, gerade in Zeiten der Transformation, und sollte zur Unternehmenskultur und dem Zielbild von Unternehmen passen.
Das ist die Ursprungsidee von New Pay. Den Begriff brachten wir 2017 mit einer von uns gestarteten Blogparade und dem gleichnamigen Hashtag in den deutschsprachigen Raum. Seither haben wir das Konzept und die Ideen zu neuen Formen der Vergütung stetig weiterentwickelt. Wir besuchten und begleiteten verschiedene Organisationen, die eine andere Herangehensweise an Vergütung versuchten. Unsere Analysen förderten Muster und Prinzipien zutage - wir nannten sie Dimensionen - , die all diese Organisationen in gewissen Ausprägungen berücksichtigten, in der Zusammenarbeit und in den Vergütungssystemen.
Was ist New Pay?
2021 formulierten wir in unserem ersten New-Pay-Report folgende Definition: "New Pay stellt im Vergleich zu klassischer Vergütung einen neuen Gestaltungsansatz dar". Dabei machen folgende Aspekte New Pay aus:
- New Pay berücksichtigt die Prinzipien Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta (die sieben Dimensionen von New Pay).
- New Pay verstärkt die Unternehmenskultur und liefert eine unternehmensspezifische Vergütungslösung, die das Zukunftsbild einer Organisation wirksam unterstützt.
- New Pay beleuchtet Wechselwirkungen in einer Organisation ganzheitlich – und hinterfragt Entlohnungsformen, Vergütungsprozesse und Entscheidungsmuster nach ihrem Beitrag zu Personalentwicklung, Motivation, Wertschöpfung, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
- New Pay berücksichtigt die Bedarfe der Organisation und der Mitarbeitenden gleichermaßen und führt sie in wertschätzenden Gehalts- und Entwicklungsprozessen zusammen."
Während wir tiefere Einblicke in Organisationen bekamen, die New Pay für sich entdeckten, reifte die Überzeugung, dass New Pay sich nicht nur um Vergütungsmodelle dreht. Der Weg dorthin und die gelebten Strukturen und Prozesse sind maßgeblich. Für Unternehmen gilt es herauszufinden, wie sie die sieben Dimensionen am besten ausfüllen, abhängig vom eigenen Kontext.
Grundlagen von New Pay: Partizipation, Transparenz, Fairness und weitere
Die sieben Dimensionen manifestieren sich in der Unternehmenspraxis auf vielfältige Weise. Es geht nicht um Ja oder Nein. Und eine Weiterentwicklung in den Dimensionen verläuft nicht linear entlang eines Entwicklungsstrahls. Es ist vielmehr ein Raum an Möglichkeiten. Dieser bietet sich jeder Organisation, wenn sie die Dimensionen passend und stimmig zum jeweiligen organisationalen Kontext interpretiert und ausgestaltet.
Prägend wirken dabei das Selbstverständnis der Organisation und die gelebten Werte, die sich in Haltungen und Verhaltensweisen der agierenden Personen widerspiegeln. Auch das Geschäftsmodell, wirtschaftliche Rahmendaten und das Zukunftsbild der Organisation sind bedeutsame Parameter. Dabei beobachten wir, dass Unternehmen vor allem auf ihre Gehaltsmodelle schauen. Deshalb möchten wir dafür sensibilisieren, auch die zugehörigen (Kommunikations-)Prozesse nicht zu vernachlässigen – im Entwicklungsprozess eines neuen Vergütungssystems und in der gelebten Praxis.
Folgende Übersicht zeigt, welche Aspekte New Pay ausmachen und in den einzelnen Dimensionen relevant sind:
In Vergütungsmodellen | Im Gestaltungsprozess | In Vergütungsprozessen | |
Partizipation | Mitbestimmung (z. B. Betriebsrat), Gehaltsrat, Gehaltschecker, Wahlmodelle, Wunschgehalt | Mitbestimmung beim Vergütungsmodell, Arbeit in diversen Projektteams oder Freiwilligenteams, partizipative Projektgruppen für Vergütungsfragen, Sounding Boards | Entscheidungsprozesse über konkrete Gehaltshöhen, die (individuelle) Partizipation zulassen, z. B. über Wahlrecht beim Vergütungsmodell oder Komponenten eines Wunschgehalts |
Transparenz | Transparente Gehälter nach innen oder außen, z. B. in Form von Gehaltsformeln und Gehaltsrechner, Gehaltsangaben in Stellenanzeigen | Kommunikation in die Organisation – vom Projektstart über laufende Arbeit bis zum Ergebnis. Information für das Projektteam bereitstellen | Nachvollziehbare Gehaltsprozesse, klare Informationsregeln, was für wen transparent sein sollte. Passende Sprache finden, die keine falschen Erwartungen weckt. Gesprächsformate, die Beziehungen stärken |
Wir-Denken | Einheitsgehalt, Team- und Unternehmensboni, Mitarbeitendenbeteiligung, eingeschränkte Gehaltsspanne/dynamischer Gehaltsdeckel, Impact-Ziele im Performance Management | Gelebte Unternehmenswerte als Referenzpunkte und Rahmengeber, gemeinsame Verantwortung und Entscheidungsprozesse, Formate der Begegnung und des Austauschs | Kongruenz von proklamierten und gelebten Werten in Vergütungsprozessen wie Entscheidungen über Finanztöpfe, Gehaltsgespräche, Leistungsbeurteilung und allgemeiner Vergütungskommunikation |
Flexibilität | Baukastensysteme, Wahlmöglichkeiten bei Arbeitszeit/Urlaubszeit/Grundgehalt und Bonus, flexible unterjährige Gehaltsrunden, Bezahlung nach Rollen und Kompetenzen (Rollenbewertung, rollenbasierte Boni) | Bei der Gestaltung keine Wege verbauen, Sackgassen vermeiden, New-Pay-Projekt notfalls auf Eis legen, aber in Bezug auf Wiederaufnahme transparent bleiben | Flexible Zyklen der Gehaltsanpassung, flexible Möglichkeiten, Gehaltsanpassungsprozesse anzustoßen, flexiblere Wechsel von Gehaltsbändern, freie Urlaubsgestaltung im Rahmen des Selbstverständnisses der Organisation |
Selbstverantwortung | Wunschgehalt, selbstgewähltes Gehalt, Gehaltskomponenten, die auf Selbsteinschätzung beruhen, Wahlmodelle von Zeit und Geld, selbstverantwortliche Zielvereinbarungssysteme wie etwa Objectives and Key Results (OKRs) | Verantwortungsübernahme von Mitarbeitenden in diversen Projekt- oder Freiwilligenteams, verschiedene Level von Entscheidungsverantwortung für das Vergütungssystem Entscheidungsverantwortung für das Vergütungssystem | Leitfäden zu Selbsteinschätzung, Unterstützung bei der Selbstverantwortung, aktives Anstoßen von Gehaltsprozessen, Gehaltskorrektur, Peerbewertung |
Permanent Beta | Verbesserungsloops und Updates des Vergütungssystems | Überprüfung von Fairness und laufende Anpassung des Vergütungssystems aufgrund von neuen Rahmenbedingungen | Mitarbeitendenbefragungen, Formate für Feedback zum System |
Fairness | Gutes Grundgehalt, Lebensgrundlage, Mindestlohn, klares internes Gehaltsgefüge mit Gehaltsstufen | Fairness als soziales Projekt, abhängig von Haltungen, Verhaltensweisen, Beziehungsqualität und Prozessgestaltung | klare Regeln, Strukturen und (Aushandlungs-)Prozesse in Zielsetzung und konkreter Umsetzung |
Die sieben Dimensionen von New Pay stehen dabei nicht einzeln für sich. Sie sind stets in Beziehung und Wechselwirkung zueinander und bedingen sich zum Teil gegenseitig. So ist ein kooperatives und kollaboratives Wir-Denken ohne die Möglichkeit zur Teilhabe, also Partizipation, nicht denkbar. Damit Mitarbeitende zielgerichtet teilhaben und mitwirken können, benötigen sie Informationen und Kenntnisse über betriebliche und organisationale Zusammenhänge. Partizipation bedarf deshalb immer einer entsprechenden Transparenz.
Entwicklung neuer und fairer Vergütungssysteme
Eine für New Pay sehr prägende Dimension ist Partizipation. Das gilt insbesondere für den Entwicklungsprozess oder die Weiterentwicklung von Vergütungssystemen. Wenn ein Unternehmen daran arbeitet, taucht immer eine zentrale Frage auf: Wer soll das Mandat erhalten, am Vergütungssystem zu arbeiten und es weiterzuentwickeln? Klassischerweise delegiert die Geschäftsführung dies als Projekt in die Fachabteilung – also HR. Und ja, HR ist eine wichtige Akteurin.
Es ist jedoch ratsam, das Projektteam breiter und diverser aufzustellen – in Bezug auf Geschlecht, Alter, Betriebszugehörigkeit, Hierarchie, Tätigkeit oder Standort beispielsweise. Wie breit und divers, hängt von vielen Faktoren ab. Wir stellen immer wieder fest, dass insbesondere Freiwilligenteams aus der Organisation zu einer breiten Akzeptanz der entwickelten Lösungen führen. Denn es kommt nicht nur darauf an, wie Regeln für Vergütung gestaltet sind, sondern auch, wer sie macht.
Im Vorfeld gibt es stets eine Stimme, die befürchtet, dass sich vor allem kritische Persönlichkeiten melden könnten. Und ja, das passiert in der Regel. Doch dadurch besteht zum einen die Gelegenheit, kritische Perspektive zu berücksichtigen. Zum anderen zeigt es die Komplexität der Lösungsfindung auf. Dies steigert sowohl die Qualität als auch die Akzeptanz für die erarbeitete Lösung. Und die ganze Organisation kann sehen, dass kritische Geister mitgewirkt haben. Wenn man Kritik hingegen außen vorlässt und schon vorab zu unterbinden versucht, kann man bereits vor der Einführung mit Spannungen und Störungen rechnen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer die Regeln für die Wertdebatte in einer Organisation mitgestaltet, erfährt persönliches und organisationales Empowerment. Und das ist die Grundlage für eine nachhaltige Zukunft von Unternehmen.
New Pay: Erste Schritte zu einer neu gedachten Vergütung
Der Start jeder "New Pay Journey", also der Reise hin zu einem neuen Vergütungssystem, die sich an New Pay orientiert, beginnt mit der Feststellung, dass sich etwas verändern soll oder muss. Die Gründe für den Aufbruch in Unternehmen sind sehr unterschiedlich. Häufig geht es darum, dass das Vergütungssystem nicht mehr zur Organisation passt – etwa aufgrund von Wachstum, Organisationsumbau, Hierarchieabbau oder Kulturveränderungen. Oder Unternehmen möchten erstmals ein klares System einführen – eine Entwicklung, die die neue EU-Entgelttransparenzrichtlinie noch verstärken dürfte. Weitere verbreitete Gründe sind hohe Fluktuation, fehlende oder nicht wahrgenommene Arbeitgebendenattraktvität, mangelnde Passung mit den organisationalen Werten und Zielen oder der Wunsch, Diskriminierungen beim Gehalt zu vermeiden (Stichwort Gender Pay Gap).
Wer sich auf die New Pay Journey begibt, erlebt also meist Spannungsfelder zwischen dem, was sich bei der Verteilung von Geld richtig anfühlt, und der Unternehmensrealität. Wir empfehlen Unternehmen, sich gerade zu Beginn eines New-Pay-Projekts Zeit zu nehmen, die Ausgangssituation festzuhalten. Was auf den ersten Blick trivial erscheint, zeigt sich in der Praxis immer wieder als eine augenöffnende Phase für alle Beteiligten.
Ein Erfolgskriterium für jedes New-Pay-Projekt ist ein klarer Projektrahmen. Um die Eckpunkte dafür abzustecken, ist ein Scoping-Workshop mit den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Organisation deshalb oft der erste Schritt – das heißt mit der Geschäftsführung, dem Management Board oder Eurem Strategiekreis. Dabei geht es um folgende Fragen:
- Projektscope – Wohin soll die Reise gehen?
- Werte und Prinzipien – Was sind die "Guiding Lights"?
- Projektteam – Wer soll mit auf die Reise und mitgestalten?
- Entscheidungsfindung – Wie fallen wichtige Beschlüsse im Projekt?
- Nächste Schritte – Was braucht es zum Loslegen?
Besonders für den Auftakt eines New-Pay-Projektes ist es hilfreich, die Sichtweisen der beteiligten Akteurinnen und Akteure transparent zu machen. So können Unternehmen frühzeitig unterschiedliche Auffassungen identifizieren und ein gemeinsames Bild der Ausgangssituation und Handlungsbedarfe entwickeln. Denn die Einschätzungen, was die Organisation in Sachen Vergütung braucht, können je nach Position, Aufgabenfeld, Betriebszugehörigkeit oder Erfahrungsspektrum unterschiedlich ausfallen. Dieser Bilderabgleich zeigt, ob tatsächlich das Vergütungssystem oder ein kultureller oder arbeitsorganisatorischer Entwicklungsbedarf besteht.
Buchtipp: Dies ist ein Auszug aus dem Buch "New Pay Journey. Ein Leitfaden, um Vergütung neu zu denken" (Haufe 2023) von Stefanie Hornung, Nadine Nobile und Sven Franke, das Sie hier bestellen können.
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