Fair Pay rückt stärker in den Fokus
Das Entgelttransparenzgesetz, das im Juli 2017 in Kraft trat, stand von Anfang an in der Kritik (siehe Kommentar "Das Gesetz erreicht sein Ziel nicht"). Tatsächlich hat das Gesetz – auch fünf Jahre danach – wenig bewirkt. Nach wir vor gibt es kaum individuelle Auskunftsanfragen von Mitarbeitenden. Mehr als die Hälfe der von Willis Towers Watson befragten Unternehmen erhält weniger als 25 Auskunftsverlangen im Jahr, 39 Prozent erhalten sogar überhaupt keine Anfragen.
Dennoch hat sich in der Praxis in Sachen Fair Pay einiges getan, wie die Studie von Willis Towers Watson ebenfalls zeigt. "Die Aufmerksamkeit für das Thema und der öffentliche Druck sind deutlich gestiegen. Somit ist Fair Pay auch intern in den Unternehmen viel stärker in den Fokus gerückt", sagt Florian Frank, Head of Talent & Rewards Deutschland und Österreich bei Willis Towers Watson. "Das hat zur Folge, dass die Unternehmen viel mehr intern analysieren, Prozesse anpassen und Fair Pay in die Unternehmenskommunikation mit einbeziehen." Laut der Studie kommunizieren 60 Prozent der Unternehmen aktiv zu Fair Pay.
Fair Pay – was bedeutet das eigentlich?
Der Begriff "Fair Pay" bezieht sich auf verschiedene Aspekte der Lohngerechtigkeit. Fair Pay zielt erstens auf geschlechtergerechte Bezahlung, das heißt auf die Verringerung des sogenannten Gender Pay Gaps.
Jenseits dieser geschlechterspezifischen Gehaltsunterschiede steht Fair Pay aber auch allgemein für den Grundsatz "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" (Equal Pay), der zum Beispiel bei der Vergütung von Fremdpersonal zum Tragen kommt.
Und drittens geht es bei Fair Pay um ein angemessenes Verhältnis des CEO-Gehalts zum Gehalt der Mitarbeitenden (CEO Ratio Pay).
Fair-Pay-Grundsätze
Willis Towers Watson hat gemeinsam mit dem Fair Pay Innovation Lab sechs Grundsätze zu Fair Pay entwickelt. Diese lauten:
- Mitarbeitende in unserem Unternehmen erhalten die gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit.
- Unser Unternehmen bietet allen Mitarbeitenden eine angemessene finanzielle (Grund-)Absicherung.
- Mitarbeitende in unserem Unternehmen erhalten eine leistungsgerechte Bezahlung.
- In unserem Unternehmen besteht Chancengleichheit für alle Mitarbeitenden.
- In unserem Unternehmen ergreifen wir Maßnahmen zur Förderung von Fair Pay.
- Unser Unternehmen steht für Transparenz bezüglich Gehalts- und Entwicklungsentscheidungen.
Unternehmen überschätzen sich selbst
Der Studie zufolge gehen die meisten Unternehmen davon aus, dass Fair Pay in Deutschland insgesamt nicht gut umgesetzt ist, schätzen sich selbst aber systematisch besser ein als den gesamten Markt. "Dies mag auch daraus resultieren, dass viele Unternehmen sich intern noch zu wenig mit den eigenen Strukturen auseinandersetzen und die Probleme teilweise gar nicht erkannt haben", kommentiert Florian Frank die Studienergebnisse.
In der Tat steht Deutschland bei der Lohntransparenz im internationalen Vergleich eher schlecht da. "Einige Länder sind da deutlich weiter", so Frank. Dies habe zum einen damit zu tun, dass zum Beispiel in den skandinavischen Ländern die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern gesamtgesellschaftlich viel stärker ausgeprägt ist, während in Deutschland immer noch eine eher traditionelle Rollenverteilung vorherrscht. Zum anderen gebe es in anderen Ländern teils strengere Regeln für Unternehmen, Gehaltsunterschiede öffentlich zu machen. Eine neue EU-Richtlinie, die Anfang März als Entwurf vorgelegt wurde, soll nun einheitliche Regeln schaffen und die Gehaltstransparenz europaweit voranbringen. (Die wichtigsten Eckpunkte der EU-Richtlinie lesen Sie im Beitrag "Vorstoß für mehr Lohngleichheit in der Europäischen Union").
EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz: Was Unternehmen tun müssen
Wenn der Entwurf der EU-Richtlinie angenommen wird, haben die Länder zwei Jahre Zeit, die neuen Regelungen umzusetzen. "Unternehmen sollten am besten schon jetzt ihre analytischen Fähigkeiten zur Beurteilung der Gehaltsstrukturen ausbauen und prüfen, ob ihre jetzigen Systeme und Prozesse faire Gehälter ermöglichen", empfiehlt Frank. "Nur so können Unternehmen ein neues Level an Gehaltstransparenz erreichen, ohne dass es zu Spannungen zwischen den Mitarbeitenden kommt." In diesem Zusammenhang werde auch das Thema Zertifizierung wichtiger werden, um Fair Pay intern und extern nachvollziehbar und glaubwürdig kommunizieren zu können. Bislang haben erst rund ein Fünftel der in der Studie befragten Unternehmen eine Form von "Fair-Pay-Zertifizierung" durchlaufen.
Fair Pay: Zertifizierung wird wichtiger
Das Fair Pay Innovation Lab, mit dem Willis Towers Watson zusammenarbeitet, hat den "Universal Pay Check" entwickelt, der Unternehmen helfen soll, das Thema Fair Pay systematisch und in nachvollziehbareren Schritten anzugehen. Das Fair-Pay-Zertifikat, das Unternehmen anschließend erhalten, unterscheidet drei Level: "Fair Pay Analyst", "Fair Pay Developer" und "Fair Pay Leader".
Um als "Fair Pay Analyst" zertifiziert zu werden, muss ein Unternehmen seine Vergütungsstrukturen professionell analytisch untersuchen, einen Maßnahmenkatalog entwickeln und ein schriftliches Fair-Pay-Commitment abgeben. Als "Fair Pay Developer" muss ein Unternehmen nachweisen, dass diese Maßnahmen umgesetzt wurden und der bereinigte Pay Gap weniger als ein Prozent beträgt. Konkret: hier muss für gleiche Arbeit das gleiche gezahlt werden. Bei "Fair Pay Leadern" muss zudem der unbereinigte Pay Gap kleiner sein als 10 Prozent. "Das bedeutet: Um diese Stufe zu erreichen ist es nicht nur notwendig, dass gleiches Gehalt für gleiche Arbeit bezahlt wird, sondern es müssen auch genug Frauen auf hierarchisch relevanten Positionen und in gut bezahlten Stellen tätig sein", erläutert Frank.
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