Entgelttransparenz: Arbeitgeber muss vermutete Diskriminierung widerlegen
In der Praxis konnte das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) bislang wenig an einer ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen ändern. Selten nutzen Beschäftigte die Möglichkeit, Auskunft über das Gehalt der Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit vom Arbeitgeber zu erhalten. Ergibt eine solche Auskunft dann tatsächlich, dass das Vergleichsentgelt männlicher Beschäftigter höher liegt, ist eine Klage wegen Entgeltbenachteiligung oftmals schwer durchsetzbar. Der vom Arbeitgeber mitgeteilte statistische Median allein könne keine Entgeltdiskriminierung beweisen, entschied auch das LAG Niedersachsen. Das BAG hat diese Entscheidung jetzt kassiert und klargestellt, dass Arbeitgeber nachweisen müssen, dass die Gehaltsdifferenz nicht wegen des Geschlechtes erfolgt ist.
Klage auf höheres Gehalt wegen Geschlechterdiskriminierung
Vorliegend verlangte die Arbeitnehmerin, die als Abteilungsleiterin außertariflich vergütet wird, zunächst gemäß § 11 EntGTranspG Auskunft über das Gehalt ihrer männlichen Kollegen. Der Arbeitgeber teilte ihr daraufhin im August 2018 das Vergleichsentgelt der im Unternehmen beschäftigten männlichen Abteilungsleiter mit. Diese Auskunft wurde entsprechend der Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als "auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median" des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage als sogenannte Median-Entgelte angegeben.
Männliche Abteilungsleiter im Unternehmen verdienen mehr
Im Ergebnis lag das angegebene Vergleichsentgelt der Männer über dem Entgelt der Abteilungsleiterin. Das Durchschnittsgehalt vergleichbar beschäftigter männlichen Abteilungsleiter war unstreitig um acht Prozent höher als das der Abteilungsleiterinnen. Die Arbeitnehmerin klagte vor Gericht auf Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt, der ihr gezahlten Zulage und den ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelten. Nach ihrer Überzeugung belege die Auskunft, dass eine Entgeltbenachteiligung wegen ihres Geschlechts erfolgt sei.
BAG: Median als Indiz für Diskriminierung
Die Vorinstanz, das LAG Niedersachsen, folgte dieser Überzeugung nicht. Das Gericht vertrat die Auffassung, die Auskunft, dass ein Gehalt unter dem Median der Vergleichsgruppe liegt, reiche allein nicht aus, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts anzunehmen. Vielmehr bedürfe es eines weiteren Vortrags.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass die entsprechende Auskunft durch den Arbeitgeber mit der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt als Indiz für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung genügt. Der Umstand, dass das Entgelt der Abteilungsleiterin geringer ausfällt als das vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, begründe die Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.
Vermutete Diskriminierung wegen ungleicher Vergütung
Der Senat führte dazu aus, dass nach den Vorgaben des EntgTranspG in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber immer zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson liege. Schließlich erhalte immer entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit. Die Abteilungsleiterin habe somit eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, da ihr Entgelt geringer sei als das einer maßgeblichen männlichen Vergleichsperson.
Arbeitgeber muss Entgeltbenachteiligung wegen Geschlechts widerlegen
Nach unionskonformer Auslegung des § 22 AGG müsse der Arbeitgeber folglich beweisen, dass die Entgeltbenachteiligung nicht wegen des Geschlechts erfolgte. Auch aus Sicht des Europäische Gerichtshof (EuGH) reicht es aus, eine Entgeltungleichheit bei gleichwertiger Arbeit vorzutragen, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts festzustellen.
BAG verweist Sache zurück an LAG Niedersachsen
Ob der Arbeitgeber seiner Darlegungs- und Beweislast genügt hat konnte der Senat nicht beurteilen. Anhand der getroffenen Feststellungen sei nicht zu erkennen, ob der Arbeitgeber die Vermutung entsprechend widerlegen konnte. Das BAG verwies die Sache somit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurück.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Januar 2021, Az: 8 AZR 488/19; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 1. August 2019, Az: 5 Sa 196/19
Das könnte Sie auch interessieren:
Entgelttransparenz: Auskunftsanspruch kann auch für freie Mitarbeiter gelten
Entgelttransparenzgesetz sorgt für Auskunfts- und Berichtspflichten
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
8.7224
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
8.579
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
6.979
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
6.3762
-
Zulässige Differenzierung bei Inflationsausgleichsprämie
5.408
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
4.253
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.216
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.661
-
Arbeitszeitkonto: Diese rechtlichen Vorgaben gelten für Arbeitgeber
3.311
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.2291
-
"Ethik kann helfen, die Arbeitskultur in Unternehmen zu stärken"
20.12.2024
-
Betriebsrat wegen Drogenkonsums gekündigt
19.12.2024
-
Gibt es ein Recht auf Nichterreichbarkeit im Urlaub?
18.12.20244
-
Die wichtigsten BAG-Urteile des Jahres 2024
17.12.2024
-
Unwirksame Versetzung aus dem Homeoffice
16.12.2024
-
Überstundenregelung diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
12.12.2024
-
Keine Inflationsausgleichsprämie für Langzeiterkrankte
11.12.2024
-
Mindestlohn für Azubis erhöht sich 2025
10.12.20247
-
Urlaubsabgeltung bei fortdauernden Beschäftigungsverboten
09.12.2024
-
Beim Ehrenamt sind arbeitsrechtliche Fehleinschätzungen vorprogrammiert
05.12.2024